Einführung
Als Zahnarzt mit dem Schwerpunkt Full-Arch-Versorgungen suche ich ständig nach Möglichkeiten zur Verbesserung der Präzision und Effizienz, um verbesserte Patientenergebnisse zu erreichen. Dieser Fall zeigt auf, welche Vorteile fortschrittliche digitale Workflows in Verbindung mit gut etablierten chirurgischen und prothetischen Protokollen bei der bimaxillären Full-Arch-Versorgung mit Sofortbelastungsprotokoll bieten.
Am Anfang dieses Patientenfalls stand das digitale Smile Design mit Smilecloud. Unter Berücksichtigung der spezifischen Bedürfnisse des Patienten wurde ein patientenindividueller ästhetischer Behandlungsplan erstellt. In coDiagnostiX® wurden die Implantatpositionen virtuell geplant, um die Implantate exakt gemäss den gewünschten prothetischen Ergebnissen auszurichten. Diese sorgfältige Planung war die Grundlage für einen Behandlungs-Workflow, der digitales Design mit klinischer Anwendung verknüpfte.
Für das chirurgische Verfahren wurden anhand von STL-Dateien individuelle Bohrschablonen konstruiert und hergestellt. Diese zur Abstützung auf der Mundschleimhaut und den verbliebenen Zähnen konzipierten Bohrschablonen vereinfachten die exakte Platzierung der neuen Straumann® BLC und TLC Implantate. Um eine verbesserte Implantatstabilität zu erreichen und den langfristigen Behandlungserfolg sicherzustellen, wurde zudem eine gesteuerte Knochenregeneration durchgeführt.
Die provisorischen Sofortversorgungen wurden direkt nach der Implantatbehandlung eingegliedert, um die Funktion und Ästhetik noch am selben Tag wiederherzustellen. Die Ergebnisse der Versorgung, die auf dem anfänglich erstellten digitalen Behandlungsplan basierte, entsprachen den klinischen Zielen und erfüllten die Erwartungen des Patienten.
Dieser Patientenfall illustriert, dass mit digitalen Tools wie Smilecloud, fortschrittlichen chirurgischen Verfahren und prothetischem Know-how verbesserte Ergebnisse bei Full-Arch-Versorgungen erzielt werden können.
Ausgangslage
Ein 56 Jahre alter Patient stellte sich mit wenigen verbliebenen Zähnen in unserer Praxis vor. Er berichtete, weder kauen noch unbeschwert lächeln zu können, und äusserte den Wunsch nach einer Behandlung, um die Ästhetik und die Kaufunktion wiederherzustellen. Die medizinische Anamnese des Patienten war unauffällig, er nahm keine Medikamente ein, hatte keine bekannten Allergien, aber er war Raucher. Als primäre Ursachen für den Verlust der Zähne wurden Karies und eine Parodontalerkrankung ermittelt.
Die extraorale Untersuchung offenbarte eine mittelhohe Lachlinie und das Fehlen mehrerer Zähne. Zusätzlich wurde ein eher gerades Gesichtsprofil beobachtet (Abb. 1 – 3).
Die intraorale Untersuchung ergab eine Restbezahnung im Ober- und Unterkiefer, an den verbliebenen Zähnen lag eine schwere Parodontalerkrankung vor. Aufgrund der dadurch verursachten Beweglichkeit waren einige dieser Zähne miteinander verblockt (Abb. 4,5).
Auf den Röntgenbildern zeigte sich ein Knochenverlust von 60 bis 80 % (Abb. 6,7).
In Übereinstimmung mit der ITI SAC-Klassifikation wurde der chirurgische und prothetische Status des Patienten als komplex eingestuft.
Nach einer ursachenbezogenen Therapie präsentierte sich der Patient mit einem guten Plaque-Index und ohne sichtbare Zahnfleischentzündung.
Behandlungsplanung
Der Behandlungsplan wurde mithilfe von Smilecloud erstellt. Das Programm ermöglicht es, ein individuelles Lächeln gemäss den Präferenzen des Patienten zu kreieren. Das Programm lieferte eine detaillierte Analyse der dentalen und fazialen Patientenmerkmale (Abb. a). Dank dieses umfassenden Ansatzes konnte das ideale Patientenlächeln unter Berücksichtigung von verschiedenen Faktoren wie Zahnform, Ausrichtung und Gesichtsharmonie visualisiert und geplant werden.
Mithilfe dieser hochmodernen Software wurden präzise Simulationen samt Anpassungen und Korrekturen angefertigt, um sicherzustellen, dass das finale Ergebnis den ästhetischen und funktionalen Zielen und Bedürfnissen des Patienten entspricht. Im ersten Schritt wurde das gewünschte Lächeln kreiert (Abb. 9,10).
Einer der Vorteile von Smilecloud ist, dass die Ausgangslage (vor der Behandlung) und das geplante Behandlungsergebnis (nach der Behandlung) visualisiert und verglichen werden können. Dies hilft bei der Planung und ermöglicht eine präzisere Behandlung (Abb. 11,12).
Der Behandlungs-Workflow beinhaltete die nachstehenden Schritte:
1. Digitales Smile-Design mit Smilecloud.
2. Digitale Planung der Implantatpositionen mit coDiagnostiX® (Abb. 13,14).
3. Die zur Abstützung auf der Mundschleimhaut und den verbliebenen Zähnen konzipierten Bohrschablonen für die Bohrprotokolle im Ober- und Unterkiefer wurden konstruiert. Anschliessend wurden die entsprechenden STL-Dateien an das Dentallabor gesendet, wo die Bohrschablonen gedruckt wurden (Abb. 15 – 19).
4. Platzierung der Bohrschablonen.
5. Extraktion der verbliebenen Zähne.
6. Setzen der Straumann® BLC und TLC Implantate.
7. Gesteuerte Knochenregeneration.
8. Eingliederung der provisorischen Full-Arch-Versorgungen.
9. Eingliederung der endgültigen Full-Arch-Versorgungen.
Chirurgisches Verfahren
Eine Stunde vor dem chirurgischen Verfahren wurden dem Patienten 2 g Amoxicillin verabreicht. Unmittelbar vor dem chirurgischen Verfahren spülte der Patient seinen Mund eine Minute lang mit 0,2%iger Chlorhexidinlösung. Die Bohrschablone wurde eingeprobt, um den korrekten Sitz zu prüfen. Der Patient erhielt eine lokale Infiltrationsanästhesie mit Articain 4 % und Epinephrin 1:100.000. Die Oberkiefer-Bohrschablone wurde auf den Zähnen und der Mundschleimhaut platziert und mit Pins fixiert. Im nächsten Schritt wurde der obere Teil der Bohrschablone entfernt, und die verbliebenen Zähne wurden atraumatisch extrahiert (Abb. 20,21).
Die Implantatbettpräparation erfolgte ohne Lappenbildung. Anschliessend wurde die zweite Bohrschablone mit stapelbaren Schablonen platziert, um eine präzise und effiziente Implantatinsertion sicherzustellen und die Sofortimplantation zu vereinfachen. Im Oberkiefer wurden vier Straumann® BLC Implantate gesetzt. In die frischen Extraktionsalveolen wurde Xenograft eingebracht, um die Knochenregeneration zu fördern und den Heilungsprozess zu optimieren. Die Implantate wurden mit einem Winkelstück mit 15 Upm im Uhrzeigersinn eingebracht und mit 25 Ncm angezogen (Abb. 22,23).
Im Unterkiefer wurde ein identisches Verfahren durchgeführt, hier wurden vier Straumann® TLC Implantate gesetzt (Abb. 27-35).
Prothetisches Verfahren
Die Implantate im Ober- und Unterkiefer des Patienten wurden sofort belastet. Auf die Implantate im Oberkiefer wurden Straumann® Variobase® Prothetikkomponenten auf Straumann® verschraubten Provisoriumssekundärteilen platziert, auf die Straumann TLC Implantate im Unterkiefer wurden Provisoriumskappen geschraubt (Abb. 36 – 38).
Die gefräste provisorische Full-Arch-Versorgung aus PMMA wurde geliefert (Abb. 39,40).
Beim Ziehen der Nähte offenbarte sich ein komplikationsfrei verlaufender Heilungsprozess. Der Patient hatte keinerlei Beschwerden, was auf eine exzellente Heilung hindeutete. Die klinische und röntgenologische Untersuchung bestätigte die komplikationsfreie Einheilung sowie die gute Weichgewebsadaptation um die Implantate und die provisorische Versorgung. Dieses Ergebnis unterstreicht den Erfolg des Verfahrens und die Bedeutung der auf die postoperativen Anweisungen bezogenen Patientencompliance (Abb. 41 – 46).
Beim Follow-up nach drei Monaten bestätigte sich die weiterhin gute Heilung und Adaptation der Hart- und Weichgewebe. Der Patient war zudem mit seinem neuen Lächeln höchst zufrieden und berichtete von signifikanten Verbesserungen im Hinblick auf die ästhetischen und funktionalen Aspekte. Er gab an, sich besonders im sozialen Umgang sicherer und selbstbewusster zu fühlen, und war von der Stabilität und dem natürlichen Aussehen der provisorischen Versorgung beeindruckt (Abb. 47 – 54).
Die Behandlung wirkte sich insgesamt positiv auf die Lebensqualität des Patienten aus, da er u. a. wieder unbeschwert essen, sprechen und lächeln konnte.
Die Eingliederung der finalen prothetischen Versorgungen steht noch aus. Geplant ist eine Full-Arch-Versorgung aus Titan und Kompositmaterial mit Straumann® Variobase® Prothetikkomponenten auf Straumann® verschraubten Sekundärteilen.
Behandlungsergebnisse
Das Behandlungsergebnis ist durch eine bemerkenswerte Gesundheit und Stabilität der Hart- und Weichgewebe charakterisiert, welche die erfolgreiche Planung und Durchführung der Behandlung bestätigen. Dank des erreichten positiven ästhetischen Gesamteindrucks und der wiederhergestellten funktionalen Fähigkeiten wie Essen und Sprechen, welche zuvor stark beeinträchtigt waren, zeigte sich der Patient in höchstem Masse erfreut. Dank dieser Ergebnisse verbesserte sich die Lebensqualität des Patienten signifikant und er gewann seine Sicherheit und sein Selbstvertrauen im Umgang mit anderen Menschen zurück.
Dieser Fall unterstreicht, dass die durchdachte Anwendung von digitalen Technologien in Kombination mit fortschrittlichen chirurgischen und prothetischen Verfahren bei Patient/innen mit einer komplexen intraoralen Ausgangslage zu lebensverändernden Ergebnissen führen kann.
Testimonal des Verfassers
Dieser hochkomplexe Fall wurde mit der Unterstützung von Smilecloud erfolgreich behandelt. Die Konvertierung der virtuellen Planung in eine STL-Datei ermöglichte die Erstellung eines genauen Gerüsts für die computergestützte Implantatplanung, die Herstellung von stapelbaren Bohrschablonen und die Herstellung und Eingliederung einer provisorischen Sofortversorgung. Dieser Behandlungsansatz führte zu einer signifikant verbesserten Lebensqualität des Patienten.