#Sofortversorgung 03.07.2025

Verzögerte Sofortimplantation mit scanbarem Gingivaformer

Co-Autor: Helmut Haas, Slomski Zahntechnik GmbH, Osterhofen

Trotz erhöhten Risikos für die Ästhetik ist die Sofortimplantation mit Sofortversorgung zum wesentlichen Bestandteil im implantologischen Behandlungsspektrum geworden. Die verzögerte Sofortimplantation bleibt aber weiterhin der langfristig Erfolg versprechendere Weg für hochästhetische patientenindividuelle Ergebnisse. Dank anatomischer Gingivaformer mit integriertem Scankörper-Merkmal lässt sich diese Therapieoption noch effektiver gestalten.

Der 48-jährige Patient wurde zur Abklärung einer subgingivalen Läsion am Zahn 11 überwiesen. Klinisch zeigte sich ein Defekt im labialen Wurzelzement. Die Verdachtsdiagnose „externe Resorption“ konnte durch ein DVT bestätigt werden. Es lag ein Defekt Klasse IV nach Heithersay vor.[1] Der Zahn 12 war als Zapfenzahn ausgebildet. Die präimplantologische Diagnostik zeigte eine ausreichende labiale Knochenlamelle, einen befriedigenden Abstand zum Nasengang sowie ein hoch ansetzendes Lippenbändchen. Aufgrund der hohen Lachlinie und der besseren Vorhersagbarkeit für die rosa Ästhetik bei mandibulärer Prognathie wurde eine verzögerte Sofortimplantation sowie eine provisorische Versorgung mit einer im Labor gefertigten Adhäsivbrücke geplant. Nach Prämedikation mit Atropin i. m., Midazolam sowie Amoxicillin 1.000 mg konnte der Zahn 11 schonend mit dem Luxator entfernt werden. Die Alveolenauffüllung erfolgte mit einer Mischung aus autologem Knochen, einem porcinen KEM  und einem flüssigen Eigenblutkonzentrat (S-PRF nach Choukron). Zur Deckung wurde ein kombiniertes Schleimhaut- und Bindegewebstransplanat Regio 24/25 palatinal in Verbindung mit einer A-PRF Eigenblutmembran über der Alveole mit 6/0 Nahtmaterial fixiert und die Entnahmestelle mit PRF und Gewebekleber abgedeckt. PRF der neuen Generation zeichnet sich durch einen hochkonzentrierten Anteil von Thrombozyten und Leukozyten in einem Fibringerüst aus.[2] Um den Patienten bei diesem Eingriff die schmerzhafte Leitungsanästhesie am Foramen incisivum zu ersparen kam hier die AMSA-Technik zur Anwendung. Dabei wird ein Nervenplexus im Bereich der Wurzelspitzen der oberen Prämolaren palatinal anästhesiert.[3]

Am zweiten postoperativen Tag konnte eine mit Komposit verblendete NEM Adhäsivbrücke eingegliedert werden. Nach komplikationsloser Einheilung des Augmentats wurde unter Prämedikation mit Amoxicillin, Atropin und Midazolam nach minimaler Aufklappung ein enossales Implantat (Straumann BLX 4,0 RB, Länge 12 mm, SLActive Roxolid) eingebracht. Dieses System weist eine patentierte Legierung aus 85 Prozent Titan und 15 Prozent ZrO auf. Das hier verwendete System ist selbstschneidend und es kann aufgrund der speziellen Fräsergeometrie (VeloDrill) mit einer Umdrehungszahl bis zu 800/min gearbeitet werden. In derselben Sitzung wurde ein neuartiger anatomisch korrekter PEEK-Gingivaformer mit integriertem Scankörper-Merkmal (XC AHA S1, Straumann) eingebracht und die periimplantäre Mukosa mit atraumatischem Nahtmaterial 6/0 fixiert. Da der Durchmesser des Implantats geringer ist als der Querschnitt eines natürlichen Zahns, müssen die periimplantären Gewebe entsprechend konditioniert werden. Dazu wurde erneut ein entsprechend zugeschnittenes A-PRF labial aufgetragen. Die Alveole wird so sofort verschlossen und die Einheilung erfolgt transgingival. An der Implantatschulter sollte eine schmale gerade bis leicht konkave Zone (1 bis 1,5 mm) vorhanden sein, an die sich wieder eine 1 bis 2 mm hohe konkave Zone über das Bindegewebe anschließt (Kriterien für das Emergenzprofil nach Gomez Meda).[4] Anschließend erfolgte der Intraoralscan (TRIOS 5, 3Shape). Dabei ist auf den korrekten Sitz zu achten, der durch das Einrasten der basalen Schraube auch ohne Röntgenkontrolle sichergestellt werden kann. Die abgeflachte Zone des Scankörpers muss dabei nach labial ausgerichtet werden. Problematisch für den Scanvorgang können allerdings Blutungsreste auf dem Gingivaformer sein. Nach Beendigung des Scans wurden zur Analgesie und Ödemprophylaxe unmittelbar postoperativ 500 mg Naproxen und 8 mg Dexamethason verabreicht. Eine anamnestische Abklärung eventueller gastrointestinaler Ulzera bzw. von Reflux ist dabei unabdingbar.[5]



„Dank anatomischer Gingivaformer mit integriertem Scankörper-Merkmal lässt sich die Therapie noch effektiver und einfacher gestalten.“


Prothetische Versorgung

Im Dentallabor erfolgte unmittelbar nach dem Scan der Abruf und die Bestätigung des Auftrags im Portal (3Shape Communicate). Die Daten wurden in der Inbox (3Shape Dental Manager) aufgerufen und für das System (exocad) lesbar abgespeichert. Nach Erkennung der Implantatposition wurde der AHA-Scanmarker markiert und gematcht sowie eine Titanklebebasis (RB, Straumann) als Implantatanschluss gewählt. Mit dem AHA-Gingivaformer als Anhaltspunkt wurden die Ausmaße des Emergenzprofils festgelegt und der Abutmentboden designt. Als Grundlage für die Gestaltung der Krone diente Zahn 21, welcher virtuell gespiegelt wurde. Eine leichte Ausdehnung der Krone Regio 11 nach distolabial verhinderte einen Schraubenkanalaustritt von inzisal. Nach dem Modelldesign wurden Modelle gedruckt – Regio 11 mit einer Aufnahme für ein repositionierbares Manipulierimplantat (RB, Straumann). Die CAM-Fertigung der Krone erfolgte mit einer Fünf-Achs-Fräse (Tizian Cut 5.2 Pro Plus, imes-icore). Die Krone wurde aus mit Graphen verstärktem PMMA (G-CAM, Graphenano) gefertigt. Dieses neuartige Material wurde speziell für den dauerhaften Zahnersatz entwickelt und sorgt nach bisherigen Erfahrungen für sehr ästhetische Ergebnisse, bei gleichzeitig deutlich besseren Materialeigenschaften in Bezug auf Biegefestigkeit, Sprödigkeit und Abrasionsbeständigkeit.[6] Erste Studien zu mit Graphen angereicherten Dentalmaterialien deuten darauf hin, dass diese Materialkombination sogar den Biofilm und das Bakterienwachstum erfolgreich reduzieren kann.[7] Die finale Gestaltung der Krone erfolgt mittels Cut-back-Technik und inzisaler Kompositverblendung (CERAMAGE UP, SHOFU) sowie einer individuellen Charakterisierung (Akzent LC, VITA) mit einem „White-Spot“ ähnlich Zahn 21. Die extraorale Verklebung der G-PMMA-Krone auf der Titanklebebasis wurde mit einem selbsthärtenden dentalen Befestigungskomposit (Multi link Hybrid Abutment, Ivoclar) durchgeführt. Nach komplikationsloser Abheilung der periimplantären Weichgewebe konnte die verschraubte Krone mit der Option auf Permanentlösung eingegliedert werden. Um eine effektive und bakterienfreie Versiegelung des Schrauben kanals zu gewährleisten, wurde dieser mit einem Polymer mit Silber-Zeolyt, das die anaeroben Bakterien im Tunnel reduziert (SilverPlug, Silveraid), und einem lichthärtenden Komposit verschlossen.[8]

Fazit

Da sich die Auswirkungen einzelner Parameter wie die Dicke der labialen Alveolarwand und des Bindegewebes sowie der Phänotyp nicht eindeutig beurteilen lassen, sollte die verzögerte Sofortimplantation im ästhetisch hochrelevanten Bereich der oberen Front fester Bestandteil der implantologischen Behandlungsplanung sein.[9] Verfahren wie die moderate Sedierung mit Midazolam (vorzugsweise i. V.), die weniger schmerzhafte LA mit der AMSA-Technik, die Verwendung von Eigenblutkonzentraten und die sofortige postoperative Analgesie ermöglichen eine patientenschonende Vorgehensweise. Der anatomisch korrekte und scanbare Gingivaformer erlaubt einen vollständigen digitalen Arbeitsablauf. Die Verarbeitung der Daten ist durch den vom IOS lesbaren Identifikationscode in den gängigen Datenbanken (3Shape, exocad) gewährleistet. Die Versorgung mit einem graphenverstärkten Biopolymer verspricht eine höhere Abrasionsfestigkeit sowie eine verbesserte Oberflächengüte der verschraubten Krone.

Abbildungen: © Dr. Christian Ortmeier, Helmut Haas, Marcus Bilek
© Erstveröffentlichung: Oemus Media Verlag Implantologie Journal, 2025; 06-25; S. 6-10

Literaturverzeichnis:

  1. Heithersay, GS Invasive Cervical Resorption: An Analysis of Potential Predisposing Factors. Quintessence International 1999;30, 83-95.
  2. Saluja H, Dehane V, Mahindra U. Platelet-Rich fi brin: A second generation platelet concentrate and a new friend of oral and maxillofacial surgeons. Ann Maxillofac Surg 2011;1:53-7.
  3. de Souza Tolentino L, Barbisan Souza A, Girardi AA, et al. The anesthetic effect of anterior middle superior alveolar technique (AMSA). Anesth Prog 2015;62:153–158.
  4. Gomez-Meda R, Esquivel J, Blatz MB. The esthetic biological contour concept for implant restoration emergence profile design. J Esthet Restor Dent. 2021;1–12.
  5. Ortmeier Ch, Kirrstetter M, Bilek M, Pelka M Basistherapie mit Methotrexat: Potentielle orale Nebenwirkungen der MTX-Gabe bei rheumatoider Arthritis. ZZI 2019;35/02
  6. Di Carlo S, De Angelis F, Brauner E, Pranno N, Tassi G, Senatore M, et al. Flexural strength and elastic modulus evaluation of structures made by conventional PMMA and PMMA reinforced with graphene. Eur Rev Med Pharmacol Sci. 2020;24:5201-8.
  7. S. Park et al., “Graphene-chitosan hybrid dental implants with enhanced antibacterial and cell-proliferation properties,” Appl. Sci., 2020.
  8. Rasperini G., Antonini M., Eli M., Roncucci R., Pellegrini G., Silver-based gum for sealing the emergence of abutment screw: microbiological study, Europerio 7, 2012 Vien, Poster Session.
  9. Ortmeier Ch, Baisch W, Bilek M Sofortimplantation im Frontzahnbereich unter Anwendung von Eigenblutkonzentrat. ZWP 02/2020;26