Innovationen bei der chirurgisch-rekonstruktiven Behandlung von Periimplantitis-bedingten intraossären Defekten

Alberto Ortiz-Vigón, Erik Regidor

Periimplantitis ist eine Erkrankung des umliegenden Gewebes rund um ein Dentalimplantat. Sie ist durch eine Entzündung des periimplantären Bindegewebes und einen fortschreitenden Verlust der abstützenden knöchernen Strukturen charakterisiert (Schwarz et al., 2018). Eine systematische Übersichtsarbeit schätzte die Prävalenz für Periimplantitis auf 22 % (Derks & Tomasi, 2015). Kritische Analysen der Literatur ergaben Prävalenzen, die aufgrund unterschiedlicher Definitionen dieser Erkrankung zwischen 1 % und 47 % variieren (Tomasi & Derks, 2012). Zusätzlich wurde vorgeschlagen, dass dieser Knochenverlust zeitabhängig ist und dass die Nachbeobachtungszeit der unterschiedlichen Studien die berichteten Prävalenzen beeinflusst haben könnte (Fransson et al., 2015; Derks et al., 2016).

Hintergrund

Das Ziel jeder Therapie der Periimplantitis ist, die Entzündung des Weichgewebes zum Stillstand zu bringen und den weiteren Verlust von periimplantärer Knochensubstanz zu stoppen. Aus einer systematischen Übersichtsarbeit geht hervor, dass es – ungeachtet der nichtchirurgischen Behandlungsmodalität – nicht ausreicht, die Erkrankung aufzuhalten (Faggion et al., 2014). Dagegen hat sich der chirurgische Behandlungsansatz sowohl kurz- als auch längerfristig als wirksamer erwiesen (Romeo et al., 2014; Carcuac et al., 2017). Des Weiteren hat sich gezeigt, dass Faktoren wie beispielsweise die Implantatoberfläche einen signifikanten Einfluss auf die Ergebnisse einer chirurgischen Behandlung haben (Carcuac et al., 2017; Roccuzzo et al., 2017). Als ein weiterer relevanter Faktor wurde die anatomische Konfiguration des periimplantären Knochendefekts identifiziert, insbesondere bei der Wahl des chirurgischen Zugangs (Schwarz et al., 2010).

Das Ziel jedes Verfahrens zur Rekonstruktion von periimplantären Knochendefekten ist die Wiederherstellung der Gewebestruktur, die das Implantat abstützt (Schwarz et al., 2017; Roos-Jansaker et al., 2014), um sowohl eine verbesserte Ästhetik als auch eine hypothetische Reosseointegration des Implantats zu erreichen (Persson et al., 2001). Der potenzielle Nutzen von Knochenregenerationsmaterialien/Biomaterialien bei rekonstruktiven Verfahren im Rahmen einer Periimplantitistherapie wurde bislang nicht definiert, da nur wenige klinische Studien vorliegen, die dazu heterogene Studiendesigns aufweisen und unterschiedlich lange Nachbeobachtungszeiten haben.

Mehrere Studien beurteilten die Wirksamkeit eines Materials ohne Vergleich mit einer Kontrollgruppe, andere Studien verglichen unterschiedliche Regenerations-/Biomaterialien und wieder andere Studien die adjuvante Verwendung solcher Materialien versus ein mechanisches Debridement allein (Aghazadeh et al., 2012; Khoury & Buchmann, 2001; Wohlfahrt et al., 2012). Aus diesem Grund ist es schwierig, fundierte Schlussfolgerungen in Bezug auf das ideale Material und den idealen Therapieansatz zu ziehen.

Bei der Regeneration des Attachments von Zähnen mit intraossären Defekten konnten mit Schmelzmatrixderivaten (EMD) exzellente Ergebnisse erzielt werden. Der Einsatz von EMD bei periimplantären Knochendefekten ist ebenfalls untersucht worden. Eine randomisierte klinische Studie (Isehed et al., 2016) zu EMD bei der chirurgischen Periimplantitistherapie berichtete widersprüchliche Ergebnisse. Eine andere Kohortenstudie kam zu dem Schluss, dass klinische Studien mit einem verbesserten Design erforderlich sind, um die adjuvante Verwendung von EMD in Kombination mit Xenograft korrekt analysieren zu können (Mercado et al., 2018).

Eine Studie, die die Wirksamkeit von autologem Knochentransplantat zur Rekonstruktion von periimplantären Knochendefekten untersuchte, zeigte beim Follow-up nach 3 Jahren stabile Ergebnisse (Behneke et al., 2000). Auf der anderen Seite führte in einer antibiotischen Lösung getränktes Allograft mit einer durchschnittlichen Reduktion der Sondierungstiefe um 4,23 ± 1,47 mm ebenfalls zu zufriedenstellenden Ergebnissen (Nart et al, 2017). Die Verwendung von Titangranulat zur periimplantären Defektaugmentation wurde ebenfalls vorgeschlagen. Eine multizentrische randomisierte klinische Studie verglich die adjuvante Verwendung von Titangranulat mit einem chirurgischen Debridement der periimplantären Läsion ohne Augmentation (Jepsen et al, 2016). Der primäre Endpunkt war die röntgenologische Defektfüllung. Obgleich sich tatsächlich statistisch signifikante Unterschiede zugunsten der Prüfgruppe zeigten, muss auf die Schwierigkeit, das Biomaterial im Röntgenbild zu identifizieren, hingewiesen werden. Andere Studien zu diesem Biomaterial berichten widersprüchliche Ergebnisse (Andersen et al., 2017; Gulet et al., 2017). Eines der am besten untersuchten Biomaterialien für die Rekonstruktion von periimplantären Knochendefekten sind Xenografts. Eine kürzlich durchgeführte klinische Studie verglich die Defektaugmentation mit Xenograft versus autologem Knochentransplantat. Der einzige Endpunkt mit statistisch signifikanten Unterschieden zugunsten von Xenograft war die röntgenologische Defektfüllung (Aghazadeh et al., 2012). Eine Fall-Kontroll-Studie zur Verwendung von Xenografts bei der Rekonstruktion von periimplantären Knochendefekten ergab vorhersagbare Ergebnisse für die Parameter Sondierungstiefen und röntgenologische Defektfüllung (Rotenberg et al., 2016). Während der gesamten Nachbeobachtung dieser Studie wurde zudem keine Veränderung der Höhe der periimplantären Mukosa beobachtet. Bezogen auf den periimplantären Knochengewinn sowohl vor dem Setzen eines Implantats als auch bei der simultanen Defektaugmentation und Implantatinsertion führte die Verwendung von Knochenregenerationsmaterialien in Kombination mit Membranen gegenüber Knochenregenerationsmaterialien allein zu überlegenen Ergebnissen. Des Weiteren verbesserte die Verwendung von EMD die Osteokonduktivität der Regenerationsmaterialien (Froum et al., 2015). Zusätzlich haben EMD eine antimikrobielle Wirkung und wirken sich positiv auf die Wundheilung und die Geweberegeneration aus. Nichtsdestotrotz fehlen wissenschaftliche Belege, die den Einsatz von EMD zur Behandlung von Periimplantitis-bedingten intraossären Defekten unterstützen.

Der nachstehende klinische Fallbericht beschreibt die chirurgische Rekonstruktion eines periimplantären intraossären Defekts unter Verwendung eines kollagenhaltigen Xenografts, einer resorbierbaren Kollagenmembran sowie EMD nach der gründlichen Reinigung der exponierten Implantatoberflächen mit einer Chitosan-Bürste. Dieser klinische Fall ist Teil einer laufenden randomisierten, kontrollierten klinischen Studie. Das Ziel dieser Studie ist, den klinischen Nutzen der adjuvanten Therapie mit Schmelzmatrixderivat in Kombination mit einem Xenograft und einer Kollagenmembran bei der Rekonstruktion von Periimplantitis-bedingten intraossären Defekten aufzuzeigen.

Klinischer Fall

Ausgangslage:
Eine 62-jährige Patientin mit Parodontalerkrankung in der Vorgeschichte stellte sich 2021 zur Kontrolle vor. Befunde: Blutung bei Sondierung und tiefe periimplantäre und parodontale Taschen um das Implantat in Regio 25 und die Zähne in Regio 26 und 27. Zusätzlich ergab die periapikale Röntgenaufnahme Knochendefekte mit einer intraossären Komponente (Abb. 1, 2).

Präoperative Phase:

4 Wochen vor dem chirurgischen Verfahren wurden ein Ultraschall-assistiertes Full-Mouth-Debridement und eine manuelle Kürettage vorgenommen. Auf diese Weise erreichte die Patientin vor Beginn des chirurgischen Verfahrens Full-Mouth-Plaque und -Blutungs-Scores von unter 20 %.

Chirurgisches Verfahren:

Das chirurgische Verfahren wurde unter Lokalanästhesie durchgeführt (Lidocain HCL 2 % mit Epinephrin 1:100.000). Nach Entfernung der implantatgetragenen Prothese wurde das chirurgische Verfahren wie nachstehend beschrieben durchgeführt.

Mit einer chirurgischen Skalpellklinge Nr. 15C wurde eine intrasulkuläre Inzision um das betroffene Implantat angelegt. Für den Mukoperiostlappen wurde die Inzision nach mesial verlängert; am Zahn vor dem Implantat wurde eine abgeschrägte vertikale Entlastungsinzision gesetzt. Nach Elevation des bukkalen Mukoperiostlappens und Entfernung des Granulationsgewebes wurde das exponierte Implantatgewinde mit einer Chitosan-Bürste (Labrida BioClean, Straumann, Basel, Schweiz) gereinigt, das Debridement der Wurzeloberflächen Regio 26 und 27 erfolgte mit Ultraschallinstrumenten (Abb. 3, 4).

Nach der gründlichen Reinigung der Implantatoberfläche wurden die Implantat- und Wurzeloberflächen 2 Minuten lang mit 24%iger Ethylendiamintetraessigsäure (EDTA, PrefGel Institut Straumann AG, Basel, Schweiz) konditioniert. Anschliessend wurde das EDTA durch gründliche Spülung mit steriler Kochsalzlösung entfernt, und ein Gel mit Schmelzmatrixproteinen (Emdogain®, Institut Straumann AG, Basel, Schweiz) wurde auf die Implantat- und die Wurzeloberflächen appliziert (Abb. 5).

Die intraossäre Komponente der periimplantären und parodontalen Defekte wurde mit einem kollagenhaltigem Xenograft aufgefüllt (Straumann® XenoFlex, Institut Straumann® AG, Basel, Schweiz). Das Xenograft wurde an die Defektmorphologie angepasst und mit einer Kollagenmembran (Straumann® MembraneFlex, Institut Straumann® AG, Basel, Schweiz) abgedeckt (Abb. 6, 7). Der primäre Wundverschluss erfolgte mit einer internen vertikalen Matratzennaht an den mesialen und distalen Aspekten, die gingivale Rezession in Regio 24 wurde mit einem koronalen Verschiebelappen gedeckt (Abb. 8, 9).

Postoperative Nachsorge

Die Patientin wurde angewiesen, in den ersten zwei Wochen postoperativ drei Mal täglich Chlorhexidin-Gel auf den Wundbereich aufzutragen. Als systemische Antibiotikatherapie wurde Amoxicillin 500 mg (3 Tabletten täglich für 7 Tage) verschrieben, zusätzlich erhielt die Patientin ein entzündungshemmendes Arzneimittel (Enantyum 25 mg, 1 Tablette alle 6 – 8 Stunden für 4 Tage).

Follow up:

Beim Follow-up nach 6 Monaten zeigte sich gesundes periimplantäres Weichgewebe: Reduktion der Sondierungstiefen, keine Blutung bei Sondierung, röntgenologische Defektfüllung, kein weiterer Knochenverlust (Abb. 10).

Schlussfolgerungen

  • Die vorgeschlagene Dekontamination der Implantatoberfläche mit einer Chitosan-Bürste scheint sicher und wirksam zu sein.
  • Der chirurgisch-rekonstruktive Ansatz unter Verwendung von Schmelzmatrixproteinen, einem kollagenhaltigen Xenograft und einer resorbierbaren Kollagenmembran kann eine erfolgreiche therapeutische Option zur Rekonstruktion von periimplantären intraossären Defekten darstellen, die zu verbesserten klinischen und röntgenologischen Parametern führt.
  • Randomisierte klinische Studien mit einer längeren Nachbeobachtung sind erforderlich, um den klinischen Nutzen der adjuvanten Verwendung von Schmelzmatrixproteinen bei der Behandlung von Periimplantitis-bedingten intraossären Defekten besser zu verstehen.

Mit freundlicher Genehmigung von ITI Blog: blog.iti.org. (Erstveröffentlichung)

Literatur:

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