Wenn´s mal wieder eng wird: Implantologischer Lückenschluss im Frontzahnbereich mit schmalem Implantat in konischem Design

Ein Beitrag von Dr. Jan Herrmann

Das zweiteilige Straumann Bone Level Tapered BLT 2,9 mm SC Implantat vereint konisches Design, einen schmalen Durchmesser sowie eine bewährte Oberfläche. Zudem vereinfacht die durchdachte Verbindung zur Suprakonstruktion die prothetische Handhabung. Der Autor arbeitet seit einigen Monaten mit dem durchmesserreduzierten Implantat und stellt einen Patientenfall vor, der im Rahmen einer prospektiven multizentrischen Studie versorgt wurde.

Autor: Dr. Jan Herrmann

Dr. Jan Herrmann

absolvierte sein Studium der Zahnmedizin von 1995 bis 2000 an der Universität Dresden. Danach war er zwei Jahre als Ausbildungsassistent in den Praxen Dr. Herrmann und Dr. Rinke tätig. Daran schloss eine dreijährige Tätigkeit an als Weiterbildungsassistent für Oralchirurgie in der Praxis für Mund-Kiefer-Gesichtschirurgie Dr. Hentschel (klinische Ausbildung an der Klinik für Mund-Kiefer-Gesichtschirurgie – Ästhetische und wiederherstellende Chirurgie des Klinikums Chemnitz). Seit 2005 ist Dr. Herrmann Facharzt für Oralchirurgie und Partner in der Gemeinschaftspraxis Dr. Hentschel & Herrmann. Seit 2008 ist er Mitglied des MVZI (Mitteldeutsche Vereinigung für Zahnärztliche Implantologie) und ITI-Mitglied. 2012 absolvierte er das Curriculum Parodontologie der Landeszahnärztekammer Sachsen (LZKS).

Erstveröffentlichung: teamwork Ausgabe 1/17, teamwork media GmbH , Seiten 16-21

Die Problematik einer engen, zahnbegrenzenden Lücke begegnet dem Zahnmediziner häufig bei der implantatprothetischen Versorgung im Frontzahnbereich. Doch gerade hier sind die ästhetischen Ansprüche hoch. Damit steigen die Anforderungen an das chirurgische Können und das Implantatsystem. In diesem Artikel wird ein Implantatsystem vorgestellt, welches von uns im Rahmen einer Studie getestet wurde (Straumann BLT 2,9 mm SC). Der schmale Durchmesser von 2,9 mm und das konische Design gewähren auch bei sehr engen Lücken eine sichere Implantattherapie.

Die Herausforderung: enge Frontzahnlücke

Soll im Frontzahnbereich eine Zahnlücke implantologisch geschlossen werden, limitieren oft ein schmaler Kieferkamm und/oder enge Interdentalräume (weniger als 6 mm) die Situation. Bei einer Einzelzahnlücke gilt das mesiodistale Knochenangebot als wichtiger Faktor bei der Wahl des Implantatdurchmessers. Der Mindestabstand beträgt zwischen Implantatschulter und benachbartem Zahn auf Knochenniveau 1,5 mm. Liegt beispielsweise eine Lückenbreite von lediglich 6 mm vor, lässt sich dies nur mit einem schmalen Implantat realisieren. Einteilige Implantate sind für die Indikation „Einzelzahnlücke“ aufgrund der oft ungünstigen Inklination ungeeignet. Hingegen können zweiteilige Systeme sowohl mit genormten als auch individuellen Aufbauten versorgt werden und ermöglichen ästhetisch optimale Ergebnisse. Durchmesserreduzierte Implantate werden in der Literatur mit einem Durchmesser von 3,5 mm bis 3 mm beschrieben, wobei 3 mm und weniger bislang fast nur einteiligen Implantaten vorbehalten waren. Dank schmaler Implantate stellen also enge Lücken in vielen Fällen keine Kontraindikation für eine Implantattherapie dar. Und doch begegnen dem Zahnmediziner oft Situationen, bei denen die Lücke besonders eng ist und auch ein Implantat mit einem Durchmesser von 3,3 mm an seine Grenzen stößt, zum Beispiel im Bereich seitlicher Schneidezähne oder bei einem Lückenschluss im unteren Frontzahnbereich.

Möglicher Lösungsweg

Seit einigen Monaten ist ein zweiteiliges Implantatsystem (Straumann BLT 2,9 mm SC) erhältlich, das einen Durchmesser von nur 2,9 mm aufweist. Die biomechanische Festigkeit wird durch das Material Roxolid (Titan-Zirkonium-Legierung) verbessert. Dieses Material sorgt bei genormten mechanischen Tests laut Herstellerangaben für eine höhere Zugfestigkeit und eine geringere
Materialermüdung als konventionelle Titanimplantate. Resultat ist ein stabiles zweiteiliges Implantat mit einem Durchmesser von nur 2,9 mm, das im Praxisalltag die Forderung nach einer hohen Sicherheit und einfachen Anwendung unterstützt.

Merkmale des Implantatsystems

Das zweiteilige Bone Level Tapered Implantat (BLT) eignet sich für die transoder subgingivale Einheilung. Die Insertion auf Knochenniveau (Bone Level) bietet verbesserte Gestaltungsmöglichkeiten des Austrittsprofils. Dies birgt insbesondere im Frontzahnbereich Vorteile. Das BLT-Implantat hat ein apikal konisches und selbstschneidendes Design, was der Primärstabilität zugutekommt. Zudem spricht die Kombination von mehreren charakteristischen Merkmalen für dieses Implantatsystem. Hierzu gehört das klinisch bewährte Straumann Bone Control Design, welches die Erhaltung des krestalen Knochens sowie die Weichgewebestabilität unterstützt. Mit Roxolid als Implantatmaterial werden ausgezeichnete mechanische Eigenschaften, eine hohe Belastbarkeit und Osteokonduktivität geboten. Zudem ermöglicht die SLActive-Oberfläche eine schnelle Osseointegration und exzellente Erfolgsraten. Die CrossFit-Verbindung bietet bei der prothetischen Versorgung eine vereinfachte Handhabung. Die selbstführende interne Verbindung sorgt für eine langfristige mechanische Stabilität und eine gute Passung zwischen Implantat und Aufbau. Die vier innen liegenden Nuten sichern die Positionierung des prothetischen Aufbaus und verhindern eine Rotation. Angeboten wird das BLT-Implantat mit verschiedenen Durchmessern. Seit Kurzem ist es als Variante mit 2,9 mm Durchmesser erhältlich. Dies stellt eine Besonderheit im Bereich der zweiteiligen Implantate
dar. Indiziert und bisher freigegeben ist dieses schmale Implantat für Einzelzahn-Implantate in regio der oberen seitlichen Schneidezähne sowie im Unterkiefer-Frontzahnbereich.

Patientenfall

Bei dem 31-jährigen Patienten erfolgte Anfang des Jahres 2013 an Zahn 22 eine Wurzelspitzenresektion bei apikaler Ostitis. Mitte Februar 2016 wurde der Patient wegen wiederkehrender Beschwerden an Zahn 22 an unsere chirurgische Praxis überwiesen. Aufgrund einer erneuten apikalen Entzündung musste der Zahn entfernt werden. Nach Rücksprache mit dem Patienten und der behandelnden Zahnärztin sollte die Schaltlücke in regio 22 (Abb. 1 und 2) mit einer festsitzenden implantatprothetischen Versorgung geschlossen werden. Es waren keine Kontraindikationen für eine Implantattherapie vorhanden. Der Patient war gesund und Nichtraucher. Allerdings stellten die schmale Lücke sowie die schwierigen Bissverhältnisse eine Herausforderung dar. Der Biss war verhältnismäßig tief und zusätzlich limitiert durch die dominante Drehung des Zahns 33. Zudem erschwerte der dünne Gingivatyp die Ausgangssituation. Bei einer radiologischen Diagnostik (OPG) zeigten sich normale vertikale Knochenverhältnisse. Die klinische Untersuchung ergab eine vestibuläre Einziehung (Abb. 3). Die deutlich erkennbaren Rugae alveolaris sprachen ebenfalls für ein mäßiges knöchernes Angebot in der Breite. Um die Lücke trotz der Limitationen adäquat versorgen zu können, fiel die Entscheidung zugunsten eines durchmesserreduzierten Implantats (Straumann BLT 2,9 mm SC). Die prothetische Versorgung mit einer vollkeramischen Krone sollte über ein individuelles Abutment (Titanbasis) verschraubt eingesetzt werden.

Planung der Implantatposition

Die Planung der Implantatposition erfolgteanhand einer OPG-Aufnahme. Die mesiodistale Position für das Implantat wurde so gewählt, dass zu den benachbarten Zähnen der Mindestabstand von 1,5 mm eingehalten werden konnte. Für die orofaziale Implantatposition musste beachtet werden, dass die umgebende Knochenwand mindestens 1 mm dick ist. Aufgrund des vestibulären Knochendefekts schien eine Augmentation indiziert. Hinsichtlich der koronalen Positionierung sollte das Implantat so in den Knochen gesetzt werden, dass die Implantatschulter in einem Abstand von zirka 3 bis 4 mm vom Gingivarand platziert wird. Dies kann erreicht werden, indem der äußere Rand der kleinen, 45 ° abgeschrägten Phase auf Knochenniveau liegt.

Implantatinsertion

Im Rahmen der Studie war während der Implantation der Zahntechniker anwesend. Somit konnte gemeinsam die Implantatposition mit dem prothetischen Austrittsprofil abgestimmt werden. Nach einer Lokalanästhesie erfolgte über einen marginalen Zugang die Darstellung des Knochens. Auf eine vertikale Entlastung wurde verzichtet. Deutlich erkennbar war nun die im OPG bereits vermutete vestibuläre knöcherne Dehiszenz. Nach der Markierung der Implantationsstelle erfolgte die Präparation des Implantatbettes mit dem Pilot- und BLT-Bohrer. Neu ist hier der sehr schmale „Needle drill“ als Pilotbohrer. Das Implantatbett wurde in der Kortikalisschicht mit dem Profilbohrer erweitert. Auf ein Gewinde konnte aufgrund der Knochenqualität (D3) verzichtet werden (Abb. 4). Zum Einsatz kamen die Instrumente für die Bone Level Tapered-Implantate, wobei einige wenige speziell entwickelt und auf die neuen Implantate abgestimmt sind. In das Implantatbett wurde nun das Implantat eingesetzt (Abb. 5). Hierbei ist das vormontierte Loxim-Transferteil eine intelligente Unterstützung. Die selbsthaltende Einbringhilfe vereinfacht die sichere Übertragung in den Mund. Mit dem Ratschenadapter wurde das Implantat inseriert und mit langsamer Drehung in die endgültige Position auf Knochenniveau gebracht. Dabei konnte ein ausreichender Abstand zu den Nachbarzähnen realisiert und die Mindestabstände eingehalten werden. Aufgrund der leicht subkrestalen Insertion war eine gute Basis für die Gestaltung des Emergenzprofils gegeben. Der vestibuläre Knochendefekt wurde auf der Implantatoberfläche mit autologem Knochen aus Bohrspänen sowie Knochenersatzmaterial und einer Membran abgedeckt. In der Regel könnte nun die intraoperative Registrierung der Implantatposition für die provisorische Versorgung erfolgen. Aufgrund der begleitenden Augmentation haben wir in diesem Fall jedoch davon abgesehen. Nach dem Aufbringen der Verschlussschraube für die subgingivale Einheilung erfolgte der Nahtverschluss mit Gore 4-0 (Abb. 6 und 7).

Provisorische Versorgung

Zwei Monate später erfolgten Freilegung und die provisorische Versorgung (Abb. 8). Nach der diskreten Freilegung über eine krestale Schnittführung konnten die Implantatplattform minimal dargestellt und die Situation intraoperativ registriert werden (Abb. 9). Für die präzise Übertragung der Implantatposition an den Zahntechniker wurde über einen Abformpfosten und die Nachbarzähne ein Kompositschlüssel gefertigt. Mithilfe der präoperativ angefertigten Alginatabformung konnte nun im Labor die provisorische Versorgung hergestellt werden. Das Implantat war während der Herstellungszeit (ein Tag) mit einem Gingivaformer abgedeckt. Die Krone wurde aus hochwertigem Kunststoff auf einem Provisorium-Sekundärteil gefertigt und anschließend im Mund verschraubt (Abb. 10 bis 12). Der Zahntechniker legte die Krone im basalen Bereich so an, dass während der Konsolidierungszeit das Weichgewebe ausgeformt werden konnte.
 Das Provisorium musste aufgrund der schwierigen Bissverhältnisse – dominant gedrehter Zahn 33 – während der Tragezeit inzisal leicht gekürzt werden (Abb. 13).

Definitive Versorgung

Das Provisorium verblieb zwei Monate im Mund. Nach wie vor zeigten sich nach dieser Zeit eine stabile Situation und ein unverändertes krestales Knochenniveau. Es folgte eine Überabformung für die Herstellung einer vollkeramischen Krone. Um das Emergenzprofil sicher übertragen zu können, wurden ein offener Abformlöffel vorbereitet und ein individueller Abformpfosten hergestellt. Als Grundlage diente ein Silikonmodell der provisorischen Krone. Der Zahntechniker stand nun vor der Herausforderung, trotz der ungünstigen Bissverhältnisse und einer aufgrund der Knochensituation nicht ganz optimalen Implantatachse, eine zu verschraubende, ästhetische Krone zu fertigen. Dies konnte mit den speziellen Prothetik-Komponenten (BLT SC Variobase, Straumann) erreicht werden. Bisher waren die Variobase Titanbasen in einer Gingivahöhe und mit rundem Austrittsprofil erhältlich. Die neue Basis ist oval und bietet flexible Gestaltungsmöglichkeiten sowie eine an die Biologie angelehnte Ästhetik (Abb. 14). Zudem sind drei unterschiedliche Gingivahöhen verfügbar, was das Weichgewebemanagment unterstützt. Es wurde ein Zirkonoxid-Gerüst gefertigt, welches im vestibulären Bereich individuell verblendet wurde. Nach der Einprobe im Mund erfolgte die laborseitige Verklebung der Krone mit der Titanbasis (Abb. 15 und 17). Die Implantatkrone wurde im Mund verschraubt und der Schraubenkanal mit Teflonband und Komposit verschlossen (Abb. 18 bis 20).

Fazit

Die relativ schmale Schaltlücke in regio 22 konnte mithilfe des durchmesserreduzierten Implantats geschlossen werden. Das verwendete Implantatsystem (Straumann BLT) ist seit kurzem mit einem Durchmesser von 2,9 mm erhältlich, was für ein zweiteiliges Implantat eine Besonderheit darstellt. Aufgrund des Materials Roxolid, eines komplett überarbeiteten „Innenlebens“ und einer optimierten Plattform ist laut Herstellerangaben die biomechanische Stabilität in den bisher freigegebenen Indikationen gesichert. Zugelassen sind Einzelzahnversorgungen der unteren Inzisivi und der oberen seitlichen Schneidezähne. Dank schmaler Implantate stellen auch enge Lücken in vielen Fällen keine Limitationen mehr für eine Implantattherapie dar. Im Rahmen einer prospektiven multizentrischen Studie arbeiten wir seit einigen Monaten mit den zweiteiligen Bone Level Tapered-Implantaten 2,9 mm und haben diese als deutliche Bereicherung für den Praxisalltag zu schätzen gelernt.

 

Behandelnde Zahnärztin:
Dipl.-Stom. Dorit Stalberg, Crimmitschau
Zahntechniker provisorische Versorgung:
Ztm. Sven Petermann, Labor Lorenz, Zwickau
Zahntechniker definitive Versorgung:
Ztm. Thomas Meißner, Crimmitschau