Maximal schonender Workflow für eine Seitenzahnkrone

Ein klinischer Fallbericht von Dr. Hanno Huss

Nicht erhaltungsfähige Einzelzähne durch Implantate zu ersetzen, wird zunehmend zur Routine. Mit intraoralem Scan, 3D-Planung und geführter Implantation gelingt diese Behandlung besonders effizient und schonend. Dass dies auch und besonders für einfachere Fällen zutrifft, zeigt das folgende Patientenbeispiel. Die konsequent digitale Versorgung erfolgt im seitlichen Oberkiefer, ohne Augmentation und mit lappenloser Implantation.

Über Dr. med. dent. Hanno Huss:

Dr. med. dent. Hanno Huss, M.Sc.

  • 1991 – 1997 Studium der Zahnmedizin in Bonn
  • 1998 Promotion
  • seit 2000 niedergelassener Zahnarzt in Wermelskirchen
  • 2003 – 2004 Curriculum Implantologie (DGI)
  • 2004 Tätigkeitsschwerpunkt Implantologie
  • 2007 Master of Science in Oral Implantology (DGI)

Implantatversorgungen lassen sich heute digital deutlich effizienter durchführen als mit konventionellen oder hybriden Arbeitsprozessen [1, 2]. Eine Studie mit 50 verschraubten Lithiumdisilikat-Abutmentkronen zeigt, dass eine erfolgreiche Versorgung in nur zwei Sitzungen möglich ist [3]. Alle Kronen wurden im Prämolaren- oder Molarenbereich – auf der Basis intraoraler Scans anstelle plastischer Abformungen – ohne physische Modelle im CAD/CAM-Verfahren hergestellt. Bei der Eingliederung waren keine approximalen oder okklusalen Korrekturen notwendig und nach zwei Jahren gab es noch keine biologischen oder technischen Komplikationen.

Zusätzliche klinische Vorteile können entstehen, wenn intraorale Oberflächen- (STL) mit DVT-Daten (Dicom) kombiniert, Implantate dreidimensional geplant und geführt („guided“) eingebracht werden. So lassen sich durch optimale Nutzung des vorhandenen Knochenlagers Augmentationen vermeiden und Patienten entlasten [4]. Da Gewebedimensionen exakter abgeschätzt werden können, lassen sich je nach Situation zusätzlich Aufklappungen verhindern. Mithilfe von Stanzung oder Roll-Lappen-Techniken wird gegebenenfalls transmukosal implantiert [5, 6]. Beide Aspekte können bei Patienten mit Vorerkrankungen, wie zum Beispiel Blutgerinnungsstörungen, oder bei reduzierter Belastbarkeit eine Rolle spielen [6].

Laut geltenden Empfehlungen sind Versorgungen, die auf dreidimensionalem Röntgen basieren, vor allem in komplexen und ästhetisch sensiblen Situationen oder für Sofortimplantationen angezeigt [7]. Experten aus Hochschule und Praxis weisen aber zunehmend darauf hin, dass durchgängig digitale Arbeitsabläufe gerade bei kleineren Implantatversorgungen Zeit und damit potenziell auch Kosten sparen [6, 8]. Günstig wirkt sich aus, dass für die Planung von Implantatpositionen eine relativ niedrige Strahlendosis ausreicht.

Implantatpositionen lassen sich mit aktueller Technik allein aufgrund digital erhobener Daten in der Software planen. Werden diese Daten mit DVT und Oberflächenscan („Situationsabformung“ mit intraoralem oder Laborscanner) sorgfältig erhoben und wird die Planung fachgerecht durchgeführt, kann ein einzelnes Implantat unmittelbar mit einer temporären Krone versorgt werden – ohne analoge oder digitale Positionsbestimmung. Die Versorgung erfolgt also rein virtuell, bei ausreichender Primärstabilität sofort nach der Implantation. Im Seitenzahnbereich kann mit virtueller Positionsbestimmung bei gegebenen Voraussetzungen sogar eine definitive Sofortversorgung realisiert werden.

In der Regel erfolgt jedoch für die definitive Versorgung ein Scan, mit dem die Implantatposition digital registriert wird. Dies ist direkt nach Implantation (intraoperative digitale Positionsbestimmung, IDP)[9] oder nach geschlossener oder transgingivaler Einheilung möglich. Letztere Methode wurde auch im folgenden Beispiel genutzt: Eine junge Patientin erhielt nach Osseointegration und Ausformung der Weichgewebe eine implantatgetragene Seitenzahnkrone. Der konsequent digitale Workflow diente zur CAD/CAM-Herstellung einer zementierten Zirkonoxidkrone auf einem Zirkonoxid-Hybridabutment.

Fallbericht

Bei einer 26-jährigen Frau ohne relevante Vorerkrankungen musste Zahn 26 aufgrund einer rezidivierenden apikalen Parodontitis extrahiert werden (Abb. 1). Der vom Situations-Scan erstellte Screenshot (Trios 3, 3Shape) zeigt intakte Nachbarzähne und eine stabile Verzahnung (Abb. 2). Zahn 27 ist kariesfrei und Zahn 25 hat eine mittelgroße mesio-okklusale Füllung. Für die Patientin kommt daher zum Ersatz ihres Zahnes nur ein Implantat infrage.

Um eine 3D-geplante und voll geführte Implantation durchführen zu können, wird nach dem intraoralen Scan ein DVT aufgenommen. Die axialen Schnitte zeigen die ausreichende Knochenbreite auf Höhe der Implantatschulter und die unauffälligen Kieferhöhlen (Abb. 3 und 4). Durch Abgleich der STL- und Dicom-Datensätze wird in der Software (Straumann® coDiagnostiX™ 9) die Implantatposition geplant (Abb. 5). Die Höhe der Implantatschulter wird dabei nach dem Prinzip der Rückwärtsplanung auf die Restauration abgestimmt (Abb. 6). Aufgrund der vorliegenden Informationen ist eine transgingivale Implantation ohne Aufklappung und Augmentation vorgesehen.

Die Bohrschablone mit zugehöriger Hülse wird ebenfalls in der Praxis entworfen (Abb. 5, links unten) und von einem externen Partner im 3D-Druckverfahren hergestellt und geliefert (Implantec 3D). Am OP-Tag wird nach Anästhesie und Einsetzen der Bohrschablone die krestale Schleimhaut mit einer geführten Mukosastanze (Straumann) lappenlos eröffnet. Abbildung 7 zeigt nach geführter Aufbereitung des Knochenlagers die ebenfalls geführte Insertion des Implantats (Straumann® Bone Level Tapered Roxolid® SLActive®, ø 4.8 mm, Länge 8.0 mm).

Fünf Monate nach transgingivaler Einheilung wird – noch vor der digitalen Positionsbestimmung – in der Scanner-Software zunächst ein Laborauftrag angelegt. Beide Kiefer werden noch einmal mit dem Scanner aufgenommen, darauf der Gingivaformer in der Software radiert. Nun kann dieser herausgeschraubt und die umgebenden Weichgewebe und Zähne werden bei hoher Auflösung in einem separaten Vorgang zeitnah gescannt (Achtung: Weichgewebskollaps!) (Abb. 8).

Es folgt das Einschrauben des passenden Scanbodies, der beim Patienten ein leichtes Druckgefühl auslösen kann (Abb. 9 und 10). Im letzten Schritt wird der Gingivaformer wieder verschraubt. Da das Weichgewebe in der Zwischenzeit kollabiert ist, kann dies für den Patienten unangenehm sein. Er oder sie sollte darauf hingewiesen und die Schraube langsam eingedreht werden.

Im Partnerlabor der Praxis (Küpper Zahntechnik, Remscheid) wird nun in der CAD/CAM-Software (Straumann® CARES® Visual) ein Hybrid-Abutment entworfen und hergestellt. Als Titanbasis dient ein Straumann® RC Variobase® Abutment für Kronen (Durchmesser 4,5 mm/Aufbauhöhe 3,5 mm/Gingivahöhe 2 mm). Abbildung 11 zeigt das im Partnerlabor mit einer Straumann® CARES® M series Fräsmaschine aus Zirkonoxid (Zolid HT+) hergestellte CAD/CAM-Abutment bei der Einprobe im Mund. Die definitive Krone wird ebenfalls aus monochromatischem Zirkonoxid (Zolid HT+) hergestellt und mit Karboxylatzement zementiert (Abb. 12).

Diskussion

Warum sollten implantologisch tätige Kolleginnen und Kollegen auf 3D-Planung und digitale Hilfsmittel wie einen intraoralen Scanner umsteigen? Die Antwort liegt einerseits in klinischen Parametern, wie einer prothetisch optimierten Implantatposition mit entsprechenden funktionellen und ästhetischen Vorteilen. Hinzu kommt eine gegenüber konventioneller Planung verbesserte Ausnutzung des Knochenangebots und daraus abgeleitet eine geringere operative Patientenbelastung [4]. Im hier vorgestellten Beispiel konnte eine Augmentation mit hoher Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden, die lappenlose Implantation ließ sich bereits im Vorfeld planen.

Auch die Autoren einer aktuellen Übersicht des International Team for Implantology (ITI) beurteilen computergestützte Implantatchirurgie in Bezug auf „Schmerzen, Ökonomie und intraoperative Komplikationen“ grundsätzlich als vorteilhaft [6]. Der Faktor Wirtschaftlichkeit lässt sich ebenso auf die prothetischen Arbeitsabläufe (Workflows) anwenden, was für Arbeitsschritte im Labor gut dokumentiert ist [10, 11]. Patienten müssen für Planung und Bohrschablonen zunächst höhere Kosten tragen. Werden jedoch der häufig reduzierte operative Aufwand und die geringere Sitzungszahl berücksichtigt, ist die Behandlung nach Erfahrung des Autors in vielen Fällen sogar kostengünstiger.

Dazu trägt auch die digitale Positionsbestimmung mit einem intraoralen Scanner bei. Diese ist relativ zügig durchführbar und für Patienten angenehmer als plastische Abformungen [12]. Bei Nutzung schlanker Workflows, wie zum Beispiel temporären Sofortversorgungen ohne Modellherstellung oder sofortiger Eingliederung des definitiven Abutments werden Arbeitsschritte und Sitzungen auf elegante Weise eingespart [13, 14].

Im Patientenbeispiel stand weniger ein verkürztes prothetisches Protokoll als eine besonders schonende Implantation ohne Augmentation und Aufklappen im Vordergrund. Die Patientin wusste aber auch die kurze Dauer des operativen Eingriffs und nicht zuletzt die „Abformung“ der oralen Oberflächen und der Positionsbestimmung mit dem intraoralen Scanner zu schätzen. Um eine sichere Datenakquise ohne Probleme mit der unvermeidlichen Weichgewebskontraktion sicherzustellen, sollte die Positionsbestimmung nach dem Abschrauben des Gingivaformers (oder anderer Bauteile) beim Trios Scanner im schnellen, so genannten Insane-Modus durchgeführt werden.

Design und Herstellung von Abutment und Restauration erfolgten im Labor unter prothetischen Gesichtspunkten, also nach Garber und Kirsch von der Krone zum Implantat „rückwärts“ geplant (15, 16). Das Labor nutzte dabei die mit der Implantatplanungssoftware integrierte CAD/CAM-Software Straumann® CARES® Visual, die Titanklebebasis RC Variobase® und das biomechanisch hoch belastbare Zirkonoxid Zolid® HT+, das auch für Ganzkieferversorgungen geeignet ist. Da alle Komponenten aus einer Hand kommen und auf einander abgestimmt sind, funktioniert der Workflow in Zusammenarbeit mit dem Partnerlabor problemlos.

Der verloren gegangener Zahn wird durch die implantatgetragene Krone sowohl funktionell, als auch ästhetisch und von der hygienischen Gestaltung nach dem Stand der Technik ersetzt. Entsprechend ist die Patientin mit dem Ergebnis, aber auch mit der Behandlung, sehr zufrieden.

Literatur:

1. Joda T, Zarone F, Ferrari M. The complete digital workflow in fixed prosthodontics: a systematic review. BMC oral health 2017;17:124.

2. Pan S, Guo D, Zhou Y, Jung RE, Hämmerle CHF, Mühlemann S. Time efficiency and quality of outcomes in a model-free digital workflow using digital impression immediately after implant placement: A double-blind self-controlled clinical trial. Clinical Oral Implants Research 2019;30:617-626.

3. Joda T, Ferrari M, Bragger U. Monolithic implant-supported lithium disilicate (LS2) crowns in a complete digital workflow: A prospective clinical trial with a 2-year follow-up. Clin Implant Dent Relat Res 2017;19:505-511.

4. Fortes JH, de Oliveira-Santos C, Matsumoto W, da Motta RJG, Tirapelli C. Influence of 2D vs 3D imaging and professional experience on dental implant treatment planning. Clinical Oral Investigations 2019;23:929-936.

5. Spiegelberg FE, Buhl C. Vierdimensional rückwärts geplant. Temporäre Implantatbrücke mit digital erstellter Weichgewebsmaske. J Dent Educ 2011:612-620.

6. Wismeijer D, Joda T, Flugge T, Fokas G, Tahmaseb A, Bechelli D, et al. Group 5 ITI Consensus Report: Digital technologies. Clin Oral Implants Res 2018;29 Suppl 16:436-442.

7. Bornstein MM, Al-Nawas B, Kuchler U, Tahmaseb A. Consensus Statements and Recommended Clinical Procedures Regarding Contemporary Surgical and Radiographic Techniques in Implant Dentistry. Int J Oral Maxillofac Implants 2014;29:78-82.

8. Joda T, Marquardt P. Computerbasierter Workflow in der Implantatchirurgie. Dtsch Zahnärztl Z 2013;68:218-227.

9. Vietor K. Intraoperativer Implantatscan. Möglichkeiten und Grenzen digitaler Positionsbestimmung im Rahmen der Implantationssitzung. Zeitschrift für Zahnärztliche Implantologie 2018;34:212-219.

10. Joda T, Bragger U. Time-Efficiency Analysis Comparing Digital and Conventional Workflows for Implant Crowns: A Prospective Clinical Crossover Trial. Int J Oral Maxillofac Implants 2015;30:1047-1053.

11. Joda T, Bragger U. Time-efficiency analysis of the treatment with monolithic implant crowns in a digital workflow: a randomized controlled trial. Clin Oral Implants Res 2016;27:1401-1406.

12. Wismeijer D, Mans R, van Genuchten M, Reijers HA. Patients' preferences when comparing analogue implant impressions using a polyether impression material versus digital impressions (Intraoral Scan) of dental implants. Clin Oral Implants Res 2014;25:1113-1118.

13. Spiegelberg F, Fawzy AR. Wege nach Lüdenscheid. Hybride und virtuelle Workflows in der Implantologie. ZZI 2019;35:310-319.

14. Atieh MA, Tawse-Smith A, Alsabeeha NHM, Ma S, Duncan WJ. The One Abutment-One Time Protocol: A Systematic Review and Meta-Analysis. J Periodontol 2017;88:1173-1185.

15. Garber DA, Belser UC. Restoration-driven implant placement with restoration-generated site development. Compend Contin Educ Dent 1995;16:796, 798-802, 804.

16. Kirsch A, Ackermann K-L, Neuendorff G, Nagel R. Neue Wege in der Implantatprothetik. Der klinische Einsatz des Camlog-Systems. Teamwork Journal of Multidisciplinary Collaboration in Prosthodontics 2000;3:8-39.