Straumann® Keramikimplantate – Straumann® PURE

Das Straumann® PURE Ceramic Implantat und der digitale prothetische Workflow

Ein klinischer Fallbericht von Ulises Calderon/Stefan P. Hicklin, Schweiz

Die Einführung von Oxidkeramiken in der Zahnmedizin führte zu neuen Behandlungsoptionen für Patienten und Behandler. Im Vergleich zu anderen Oxidkeramiken zeigt Zirkondioxid bisher hervorragende biomechanische Eigenschaften. Seit seiner Einführung in der Zahnmedizin wird Zirkondioxid als Gerüstmaterial für Vollkeramikkronen und festsitzende Zahnprothesen sowie für Implantat-Sekundärteile verwendet. Aufgrund seiner Materialeigenschaften und seiner zahnähnlichen Farbe ist Zirkondioxid heutzutage auch das Material der Wahl für Zahnimplantate. Ausserdem haben Humanstudien eine im Vergleich zu Titan reduzierte Bakterienadhäsion auf Zirkondioxid sowie eine im Vergleich zu Titan geringere Anzahl von Entzündungszellen im periimplantären Weichgewebe bei Zirkondioxid belegt. Diese Erkenntnisse deuten darauf hin, dass um Implantate aus Zirkondioxid möglicherweise weniger Periimplantitis auftritt als um Titanimplantate. In einer vor Kurzem veröffentlichten systematischen Übersichtsarbeit (Hashim et al. 2016) betrug die Gesamtüberlebensrate von ein- und zweiteiligen Zirkondioxid-Implantaten nach 1 Jahr Funktion 92 % (95 % KI 87-95). Dieser Übersichtsarbeit zufolge scheint es, dass Zirkondioxid-Implantate als metallfreie Alternative zu Titanimplantaten dienen könnten. Andererseits ist darauf hinzuweisen, dass noch nicht genügend Daten zur langfristigen Leistungsfähigkeit von Zirkondioxid-Implantaten vorliegen. Es sind weitere klinische Studien erforderlich, um mehr Daten über die langfristig zu erwartenden Behandlungsergebnisse mit Zirkondioxid-Implantaten zu erhalten. In diesem Zusammenhang sind Fallberichte nützlich, um die Risikofaktoren für technische und biologische Komplikationen zu identifizieren.

Autor: Ulises Calderon

Dr. med. dent. Ulises Calderon

Absolvent der Universidad Nacional Federico Villarreal, Lima, Peru. Universitätsdiplom (DU) in klinischer Zahnmedizin: Chirurgische und prothetische Implantologie, Universität Paris 7 Diderot, Frankreich. Ehemaliger ITI-Stipendiat an der Klinik für Festsitzende Prothetik und Biomaterialien der Universität Genf, Schweiz. Seit September 2016 Vollzeitstudent im Programm „Master of Advanced Studies“ an der Klinik für Festsitzende Prothetik und Biomaterialien, Zahnmedizinische Klinik, Universität Genf, Schweiz.

Autor: Stefan Paul Hicklin

Dr. med. dent. Stefan Paul Hicklin

Studium an der Universität Zürich, Schweiz, und Abschluss im Jahr 2002. Von 2005 bis 2008 Doktorand an der Klinik für Kronen- und Brückenprothetik, Teilprothetik und Zahnärztliche Materialkunde (Universität Zürich, Direktor: Prof. C.H.F. Hämmerle). Von 2009 bis 2014 Dozent an der Universität Bern in der Klinik für Rekonstruktive Zahnmedizin (Direktor: Prof. U. Brägger). Seit Ende 2014 Dozent an der Klinik für Festsitzende Prothetik und Biomaterialien, Zahnmedizinische Klinik, Universität Genf (Direktorin: Prof. I. Sailer). Spezialist für Rekonstruktive Zahnmedizin (SSRD).

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Ausgangslage

Eine 69 Jahre alte Patientin erschien im Februar 2014 zu ihrem geplanten Kontrolltermin an der Zahnmedizinischen Klinik der Universität Genf (Klinik für Festsitzende Prothetik und Biomaterialien). Sie war gesund und Nichtraucherin. Während der Routineuntersuchung beklagte sie sich über eine leichte Schmerzempfindung bei Zahn 35. Der Zahn war vor zwei Jahren endodontisch behandelt und mit einer Krone versorgt worden. Die klinische Beurteilung bestätigte den leichten Klopfschmerz von Zahn 35. Des Weiteren zeigte der Zahn eine erhöhte Beweglichkeit (Grad 2) und eine lokal begrenzte Taschentiefe bei Sondierung von 7 mm. Auf einer die Untersuchung ergänzenden Röntgenaufnahme wurde mesial zur Wurzel eine Radioluzenz festgestellt (Abb. 1). Die vorläufige Diagnose lautete vertikale Wurzelfraktur.

Behandlungsplanung

An der Abteilung für Parodontologie (Universität Genf) wurde ein chirurgischer Eingriff geplant. Sollte sich die vorläufige Diagnose bestätigen, war geplant, Zahn 35 zu extrahieren und eine Ridge Preservation durchzuführen. Nach der Einheilzeit wurde die Spätimplantation eines Straumann® PURE Ceramic Implantats mit einem Durchmesser von 4,1 mm in Regio 35 geplant. Nach der erfolgreichen Osseointegration sollte das Implantat mithilfe einer intraoralen optischen Abformung und CADCAM-Technologie nach einem digitalen Workflow mit einer Hybridkeramikkrone (VITA Enamic®, VITA Zahnfabrik, Bad Säckingen, Deutschland) versorgt werden.

Chirurgisches Verfahren

Der chirurgische Eingriff wurde im Mai 2014 durchgeführt und bestätigte die vermutete Diagnose einer vertikalen Wurzelfraktur des Zahns 35. Wie geplant wurde der Zahn extrahiert  (Abb. 2) und eine Ridge Preservation mit einem xenogenen Knochenersatzmaterial durchgeführt. Es wurde keine provisorische Versorgung eingesetzt, um den fehlenden Zahn zu ersetzen. Zehn Monate später (die Patientin hatte einige Monate im Ausland verbracht), konnte klinisch ein gut erhaltener und vollständig verheilter Alveolarkamm beobachtet werden (Abb. 3). Es wurden Alginat-Abformungen der Mundsituation durchgeführt und ein Wax-up von Zahn 35 auf den Gipsmodellen angefertigt. Auf der Basis des Wax-ups stellte der Zahntechniker eine herkömmliche Bohrschablone her. Am Tag des Eingriffs erhielt die Patientin 750 mg Amoxillin und 600 mg Ibuprofen. Unter Lokalanästhesie wurde ein Kieferkammschnitt mit einer distalen vertikalen Entlastungsinzision vorgenommen und ein Vollschichtlappen abgehoben (Abb. 4). Da die Patientin bereits ein Implantat als Ersatz für Zahn 36 hatte, wurde bei der Inzision die mesiale Mukosa um dieses Implantat herum berücksichtigt. Die klassische OP-Schablone wurde aufgesetzt, und das Implantatbett wurde gemäss Herstelleranweisungen präpariert (Abb. 5). Die Präparation und die korrekte vertikale Platzierung für ein Ceramic Implantat Monotype aus Zirkondioxid mit einem enossalen Durchmesser von 4,1 mm wurden mithilfe der spezifischen Implantatindikatoren erreicht (Abb. 6-8). Ein Straumann® PURE Ceramic Implantat mit einem Durchmesser von 4,1 mm, einer Länge von 8 mm und einer Sekundärteilhöhe von 4 mm wurde mit guter Primärstabilität inseriert (Abb. 9-11). Zur Augmentation des kleinen bukkalen Knochendefekts und zur Verbesserung der vestibulären Kammkontur wurden ein Xenograft und eine Kollagenmembran verwendet, um der endgültigen Krone ein natürlicheres Aussehen zu verleihen. Die entsprechende Schutzkappe wurde auf das Sekundärteil des Implantats aufgesetzt. Der Lappen wurde reponiert und mit nicht resorbierbarem monofilem ePTFE-Nahtmaterial der Stärke 5.0 adaptiert. Der Patientin wurden Antibiotika, Schmerzmittel und eine Chlorhexidin-Mundspüllösung verschrieben. Die Nähte wurden 10 Tage nach der Implantatinsertion entfernt.

Prothetisches Verfahren

Die Einheilung verlief komplikationsfrei, und nach 8 Wochen zeigte sich bei der klinischen Untersuchung, dass das Gewebe gesund und stabil war. Während desselben Termins wurde die Schutzkappe  (Abb. 12 – 13) auf der mesialen Seite mit Komposit modifiziert, um das Weichgewebe in diesem Bereich zu konditionieren und eine gute Registrierung der prothetischen Schulter mit einem Intraoralscanner zu ermöglichen. Eine Woche später wurde eine intraorale optische Abformung durchgeführt (Cerec® Omnicam, Dentsply Sirona, Deutschland) und mit CAD-Software (CEREC® Software 4.3, Dentsply Sirona, Deutschland) eine Einzelzahnkrone am Behandlungsstuhl entworfen (Abb. 14 – 16). Als Restaurationsmaterial wurde eine Hybridkeramik (VITA Enamic®, VITA, Bad Säckingen, Deutschland) gewählt, weil angenommen wurde, dass ihre Belastbarkeit höher war und daher zu weniger Chipping und einem grösseren Kaukomfort für die Patientin führte. Die Krone wurde mit einer 3-Achs-Fertigungseinheit (CEREC® MC X, Dentsply Sirona, Deutschland) im Labor gefräst. Nach der Einprobe der Krone (Abb. 17) waren kleinere okklusale Anpassungen notwendig. Um die Farbe der endgültigen Krone zu verbessern, wurden im Dentallabor Malfarben (VITA Enamic® Stains, Vita, Bad Säckingen, Deutschland) gemäss Herstelleranweisungen verwendet. Ein Tag nach der Einprobe war die Krone bereits fertiggestellt und konnte auf das Implantat zementiert werden (Abb. 18). Der innere Teil der Krone wurde 60 Sekunden lang mit 5%iger Flusssäure (IPS Ceramic Etching Gel, Ivoclar Vivadent, Schaan, Liechtenstein) angeätzt, dann mit Wasser und im Ultraschallbad 5 Minuten lang mit Alkohol gereinigt. Auf die angeätzte Kronenoberfläche wurde ein Universal-Primer (Monobond Plus®, Ivoclar Vivadent, Schaan, Liechtenstein) aufgetragen. Die Mukosa rund um die Implantatschulter wurde mit einem Retraktionsfaden verdrängt, um überschüssigen Zement auf Höhe der Implantatschulter zu vermeiden (Abb. 19). Das Sekundärteil des Straumann® PURE Ceramic Implantats wurde gereinigt und für die adhäsive Befestigung vorbehandelt. Der gleiche Universal-Primer, der für die Krone verwendet worden war (Monobond Plus®, Ivoclar Vivadent, Schaan, Liechtenstein), wurde auf die Sekundärteiloberfläche aufgetragen. Zur Befestigung der Krone auf dem Implantat-Sekundärteil wurde selbsthärtender MDP-haltiger Kunststoffzement (Panavia 21 TC, Kuraray, Japan) verwendet. Der überschüssige Zement und der Retraktionsfaden wurden vorsichtig entfernt und die Okklusion erneut überprüft. Mit einer periapikalen Röntgenaufnahme (Abb. 20) wurde überprüft, ob keine Zementreste mehr um das Implantat vorhanden waren. Nach 3 und nach 10 Tagen nach der Zementierung wurde jeweils ein Kontrolltermin angesetzt (Abb. 21 – 22). An der Krone waren keine weiteren Modifikationen erforderlich, und die Patientin war mit der definitiven Versorgung sehr zufrieden.

Endergebnis

Kontrolltermine wurden nach 6 Monaten und 1 Jahr nach der Implantatinsertion vereinbart. Klinisch gesehen war die Krone auf dem Implantat noch funktional. Ausserdem wurden zu diesen beiden Zeitpunkten keine technischen Komplikationen festgestellt (Abb. 23 – 24). Das Weichgewebe um das Implantat in Regio 35 war gesund. Beim letzten Kontrolltermin 1 Jahr nach der Implantatinsertion wurde eine periapikale Röntgenaufnahme erstellt. Um das Implantat herum wurde eine normale Knochengeweberemodellierung beobachtet, und das Knochenniveau hatte sich um den Rand mit der rauen Implantatoberfläche stabilisiert (Abb. 25). Die Patientin war mit dem Behandlungsergebnis im Hinblick auf Funktion und Ästhetik sehr zufrieden.

Zusammenfassung

Ein Jahr nach der Insertion lagen keine biologischen oder technischen Komplikationen vor. Die Behandlungsoption mit dieser Art von Zirkondioxid-Implantat und Versorgung mit einer Hybridkeramikkrone in der beschriebenen Indikation scheint eine gute Alternative zu Titanimplantaten zu sein. Das periimplantäre Weichgewebe blieb über den Zeitraum stabil, was die hervorragende Biokompatibilität der Zirkondioxid-Keramik zeigt. Es sollte erwähnt werden, dass die vertikale Implantatposition ein wichtiger Faktor für den Erfolg ist. Da es sich um ein einteiliges Implantat handelt, muss die Versorgung zementiert werden, was mit dem Risiko überschüssigen Zements um das Implantat herum behaftet ist, vor allem wenn die Implantatschulter zu tief unter die Mukosa gesetzt wird.