Implantation im parodontal kompromittierten Gebiss

In der Zahnheilkunde werden die Indikationsbereiche für implantatgetragenen Zahnersatz stetig erweitert. Hatte man einst Sorge im parodontal geschädigten Gebiss zu implantieren, ist dies aufgrund neuerer Innovationen in der heutigen Zeit ein fast vernachlässigbarer Faktor bei regelmäßigen Kontrolluntersuchungen (UPT).

Der nachfolgende Fall zeigt, dass einer Versorgung mit Implantaten im parodontal kompromittierten Gebiss dank neuer Innovationen, wie dem BLX-Implantat von Straumann mit der SLActive-Oberfläche und dem innovativen Implantatdesign, bei einem parodontal geschädigten Gebiss kaum Grenzen gesetzt sind, selbst für ästhetische Lösungen im Frontzahnbereich [1].

Dr. med. dent. Marieluise Kotthaus

2006-2009: Ausbildung zur Zahntechnikerin in Mülheim an der Ruhr

2010-2012: Ausbildung zur Zahntechnikermeisterin an der Meisterschule Düsseldorf

2012-2017: Studium der Zahnmedizin in Bonn

seit 2018: angestellte Zahnärztin in der Praxisklinik an der Ruhr

Dr. med. dent. Dominic Hützen

1996-2002: Studium der Zahnmedizin an der Universität München

2003: wissenschaftlicher Mitarbeiter in der Klinik für Zahnärztliche Prothetik in Homburg

2004-2009: Studium der Medizin an der Universität Düsseldorf

2004-2009: Zahnarzt in der Facharztpraxis für Mund-,Kiefer- und Gesichtschirurgie Dr. med. Dr. med. dent. Oskar Hützen in Mülheim an der Ruhr

seit 2004: „Mobile Implantologie“ bei niedergelassenen Zahnärzten im In- und Ausland

seit 2016: Niederlassung in eigener Praxisklinik in Mülheim an der Ruhr

 

Ausgangssituation

Der 77-jährige Patient stellte sich aufgrund von akuten Beschwerden am Zahn 11 in unserer Praxis vor. Allgemeinanamnestisch zeigte sich der Patient unauffällig. Bei dem Zahn 11 handelte es sich um eine Krone als Brückenanker zum Ersatz des Zahnes 21. Zahn 22 diente ebenfalls als Brückenanker, hier wurde die Konstruktion eines Marylandflügels verwendet, die wie eine Kragenfacette den Zahn 22 von palatinal fasste und fest zementiert war. 
Diese Frontzahnbrücke war ca. 25 Jahre in situ und der Patient hatte bis zu diesem Zeitpunkt keine Beschwerden. Klinisch wies Zahn 11 eine starke Perkussionsempfindlichkeit sowie Druckdolenz der Umschlagfalte auf. Zahn 11 ließ sich axial 1-2 mm aus seinem Zahnfach bewegen. 
Röntgenologisch waren resorptive Prozesse apikal der Wurzelspitze, sowie ein verbreiteter Parodontalspalt, bei einem generalisierten horizontalen Knochenabbau von ca. 30% im Ober- und im Unterkiefer erkennbar (Abb. 1). 

Vorgehen

Das Behandlungsziel war die Schmerztherapie mit Beseitigung der entzündlichen Prozesse, sowie die Wiederherstellung der Funktionsfähigkeit des Oberkieferfrontzahnbereiches. Verschiedene Therapieoptionen wurden mit dem Patienten diskutiert und die implantologische Variante als Einzelzahnversorgung vom Patienten gewählt. Aufgrund der apikalen Osteolyse an Zahn 11, sowie schlechter parodontaler Verhältnisse, wurde sich für die Implantation nach Abheilen des Knochendefektes und nach erfolgreicher PA-Therapie entschieden. Die Brücke wurde in regio 22 getrennt. Zahn 11, bei dem sich nun ein Lockerungsgrad III zeigte, wurde schonend extrahiert, das entzündliche Gewebe des Knochenfachs rückstandslos auskürre-tiert. Der Patient erhielt in der Übergangszeit eine Interimsprothese. Diese wurde aus astron CLEAR-spint® hergestellt, um den ästhetischen Ansprüchen in der Front gerecht zu werden (Abb. 2). 5 Monate nach Extraktion wurde ein DVT angefertigt zur Präimplantationsdiagnostik (Abb. 3a, b, c). Sechs Monate post extractionem des Zahnes 11 und nach erfolgreicher PA-Therapie (Abb. 4), erfolgte die Implantatinsertion regio 11 und 21, der Eingriff wurde in Infiltrationsanästhesie durchgeführt.

Es wurde eine krestale Schnittführung mit vertikalen Entlastungsinzisionen um eine halbe Zahnbreite mesial bzw. distal an den Nachbarzähnen vorgenommen (Abb. 5). Das OP-Gebiet, besonders die vestibuläre Begrenzung, war somit gut einsehbar. Die Implantatbettaufbereitung erfolgte deutlich unterdimensioniert und die Implantate (3,75*12mm BLX Straumann) wurden handgeführt mittels Schraubendreher ca. 1-2mm subkrestal eingebracht (Abb. 6-9). Das Einbringen mittels Schrauben-drehers bei unterdimensionierter Knochenbohrung ermöglicht hierbei die Richtungsänderung und Optimierung der Implantatposition, während des Einschraubens des Implantates. Der Schrauben-dreher wird somit während der Insertion geschwenkt, vor allem um den vestibulären Knochen vollständig zu erhalten. Dies ist aufgrund des speziellen Gewindedesigns des BLX-Implantates mit schneidendem Gewinde möglich. Das OP-Gebiet wurde dicht vernäht, als Nahtmaterial wurde Polytetraflourethylen verwendet, da es von den Patienten als angenehm empfunden wird, sowie eine äußerst gute Knüpfbarkeit und Biokompatibilität aufweist (Abb. 10a, b). Sieben Tage post OP bei der Nahtentfernung zeigten sich reizlose Wundverhältnisse. Die geschlossene Einheilphase von drei Monaten verlief unauffällig. Der Reentry zur Freilegung erfolgte mit zwei einzelnen Inzisionen über den Verschlussschrauben regio 11 und 21, sodass keine Naht notwendig war. Die Deckschrauben der Implantate waren bereits knöchern integriert, sodass der Knochen oberhalb der Verschlussschraube vorsichtig mit einem scharfen Löffel entfernt wurde, um die Gingivaformer einzubringen. Abb. 11 zeigt die Situation eine Woche nach Ausformung der Gingiva mittels Gingivaformer, vor Abformung der Implantate in regio 11, 21 und des präparierten Zahnes 22.  Die Farbbestimmung erfolgte mittels Dentalkamera der Firma Shofu zur Übermittlung der individuellen Zahnfarbe ans Zahntechnische Labor (Abb. 13). Als prothetische Versorgung wurden e.max-Kronen angefertigt mit individuellen Zirkonabutments auf Titan Klebebasen. Die Abutments wurden verschraubt (Abb. 12), mit Teflonband verschlossen und die Kronen mit Panavia V5 zementiert (Abb. 14).

Behandlungsergebnis 

Wie das beschriebene Fallbeispiel zeigt, stellt die Implantation im parodontal kompromittierten Gebiss, selbst im ästhetisch anspruchsvollen Frontzahngebiet, dank moderner Implantatsysteme heut-zutage keine Herausforderung mehr dar. Grundvoraussetzung ist dabei die korrekte Positionierung innerhalb der drei Raumachsen, sowie in der ästhetischen Zone ein ausreichend dicker Gingivaphänotyp zur Schaffung eines harmonischen periimplantären Weichgewebes [2].
Die regelmäßige unterstützende Parodontitistherapie (UPT) in den patientenspezifischen Abständen sind bei einem parodontal geschädigten Gebiss unerlässlich, um einen Langzeiterfolg zu generieren [3]. 12 Monate nach Implantatinsertion zeigt sich eine gesunde attached Gingiva um die Implantatkronen 11 und 21 (Abb. 15). Auch röntgenologisch zeigt sich bei Kontrolle nach 12 Monaten eine sehr gute Osseointegration, der Knochen befindet sich oberhalb der Implantatschultern (Abb. 16).

Literatur:

1.   Schwarz, F., et al., Bone regeneration in dehiscence-type defects at chemically modified (SLActive®) and conventional SLA® titanium implants: a pilot study in dogs. J Clin. Periodontol. 34.1 (2007): 78–86

2.  LAMBRECHT, J. THOMAS: Zahnärztliche Operationen. Berlin: Quintessence Publishing, 2008, S.286-288.

3.  Chapple IL, Mealey BL, Van Dyke TE et al.: Periodontal health and gingival diseases and conditions on an intact and a reduced periodontium: Consensus report of workgroup 1 of the 2017 World Workshop on the Classification of Periodontal and Peri‐Implant Diseases and Conditions. Journal of Clinical Periodontology 45, S.68-S77 (2018).