Straumann® PURE Ceramic Implantat System

Zweiteilige Keramikimplantate

Eine verlässliche Behandlungsoption bei ästhetisch anspruchsvollenFrontzahnrekonstruktionen

Materialspezifisch optimierte Produktionsverfahren erlauben heutzutage die Herstellung von frakturstabilen Zirkonoxidimplantaten mit mikrorauen Oberflächen, die identische Überlebensraten aufzeigen wie etablierte Titanimplantate. War die anfängliche Skepsis bezüglich der klinischen Anwendung von Keramikimplantaten oftmals auf ein einteiliges Implantatdesign zurückzuführen, bieten sich heute mit der zunehmenden Etablierung von zweiteiligen Keramikimplantaten neue Behandlungsmöglichkeiten. Der folgende Beitrag beschreibt eine komplexe Frontzahnrekonstruktion mittels eines neuen zweiteiligen Zirkonoxidimplantatsystems.

Dr. med. dent. Stefan Röhling

Dr. med. dent. Stefan Röhling

  • 2003-2009 Studium der Zahnheilkunde an der Ludwig-Maximilians-Universität München
  • Seit 2006 Experimentelle und klinische Wissenschaftsprojekte über Zahnimplantate aus Zirkonoxid
  • 2007-2009 AO Foundation, AO Research Institute; Tissue Morphology, Davos, Schweiz
  • Mai 2009 – August 2013 Klinik für MKG-Chirurgie, Universitätsspital Basel, Schweiz
  • Sept. 2013-Okt. 2014 Department of Periodontics, The University of Texas Health Science Center at San Antonio, USA
  • Seit November 2014 Klinik für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie, Universitätsspitals Basel, Kantonsspital Aarau, Schweiz und Medizinisches Versorgungszentrum Lörrach
  • Gründung der European Society for Ceramic Implantology (ESCI)
  • Seit Januar 2017 ITI Fellow

Dr. med. dent. Thomas Borer

Dr. med. dent. Thomas Borer

  • 1996 Staatsexamen Zahnmedizin Universität Basel
  • Seit 2000 Eigene Privatpraxis in Basel
  • Seit 2000 Externer Mitarbeiter Klinik für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie im Kantonsspital Aarau

In den letzten Jahren haben sich keramische Zahnimplantate aus Zirkonoxid als verlässliche Alternative zu Titan etabliert. Das Erfolgsgeheimnis dafür ist vor allem auf materialspezifisch optimierte Produktionsverfahren zurückzuführen, die heutzutage die Herstellung von bruchsicheren ein- und zweiteiligen Zirkonoxidimplantaten mit mikrorauen Oberflächen ermöglichen.In wissenschaftlichen Studien konnte nachgewiesen werden, dass mikroraue Zirkonoxidimplantate ein gleichwertiges ossäres Integrationsverhalten haben wie etablierte Titanimplantate[1-4] und auf dem Niveau von Titan  prognostizierbare klinische Überlebensraten aufzeigen[5,6]. Als ein potentieller materialspezifischer Vorteil von Keramiken gegenüber Metallen wurde in einer vor kurzem veröffentlichten experimentellen Studie nachgewiesen, dass sich auf glatten und mikrorauen ZrO2-Implantatoberflächen signifikant weniger Biofilm anlagert als auf vergleichbaren Titanoberflächen[7]. Unabhängig von der klinischen Verlässlichkeit von modernen, mikrorauen Keramikimplantaten sind viele Behandler immer noch sehr zurückhaltend bezüglich der klinischen Anwendung vor allem bei komplexen Fällen, beispielsweise wenn die Implantation mit einer Knochenaugmentation kombiniert werden muss. Anfänglich war diese Skepsis sicherlich auch auf das einteilige Design der «ersten Generation» von  Zirkonoxidimplantaten zurückzuführen: viele Anwender hatten Bedenken wegen einer möglichen Überbelastung der Implantate während der frühen Einheilphase oder einer eventuellen Implantat-Fehlpositionierung und der damit verbundenen geringeren prothetischen Flexibilität bei einteiligen Implantaten. Diese Bedenken waren nicht zuletzt auch davon geprägt, dass sich im Laufe der letzten Jahrzehnte im Bereich der Titanimplantologie ein «zweiteiliges Denken» etabliert hat. Mittlerweile sind neben den ein- auch zweiteilige Implantatsysteme aus Zirkonoxid auf dem Markt verfügbar. Dabei gibt es unterschiedliche Konzepte wie die Sekundärkonstruktion mit dem Implantatkörper verbunden wird. Neben Verklebungen werden auch verschiedene verschraubte Verbindungen angeboten. Die einzelnen Hersteller unterscheiden sich hierbei nicht nur im Design der Implantataussen- und -innengeometrie, sondern auch in der Materialwahl und Verbindung der Suprakonstruktion. Der folgende Fall beschreibt die klinische Anwendung eines neuen zweiteiligen Zirkonoxidimplantatsystems im Rahmen einer komplexen Frontzahnrekonstruktion in Kombination mit einer Knochenaugmentation.

Patientenfall

Im Folgenden ist ein klinischer Fall eines männlichen 41-jährigen gesunden Patienten ohne Vorerkrankungen dokumentiert. Er erlitt im Jahr 2000 einen Sportunfall, bei dem es zu einer lateralen Luxation des Zahnes 11 und zu einer Avulsion des Zahnes 21 kam. Die beiden Zähne wurden damals sofort repositioniert, geschient und im weiteren Verlauf endodontisch behandelt. Siebzehn Jahre nach dem Unfall stellte sich der Patient im Juni 2017 in unserer ambulanten Sprechstunde vor. Er gab an, dass er seit etwa einem Monat zunehmende Schmerzen und eine zunehmende Zahnbeweglichkeit im Bereich der Oberkieferfrontzähne bemerke. Die klinische Untersuchung zeigte zwölf Millimeter erhöhte Taschensondierungstiefen, Blutung auf Sondierung, einen Lockerungsgrad II und eine Perkussionsempfindlichkeit der endodontisch behandelten Zähne 11 und 21. Darüber hinaus war vestibulär von Zahn 21 eine Fistelung im Bereich der befestigten Gingiva erkennbar (Abb. 1). Im Rahmen der Röntgendiagnostik waren auf dem angefertigtem Einzelzahnbild Wurzelresorptionen und ein ausgeprägter vertikaler Knochenabbau vor allem an Zahn 21 erkennbar (Abb. 2a). Aufgrund der klinischen und radiologischen Befunde waren weitere zahnerhaltende Massnahmen nicht indiziert und die Zähne 21 und 22 wurden als nicht erhaltungswürdig eingestuft. Gemeinsam mit dem Patienten wurde die weitere Therapiestrategie erörtert und es wurden verschiedene Behandlungsoptionen diskutiert. Aufgrund des Wunsches des Patienten nach einer festsitzenden Rekonstruktion und der Tatsache, dass die Nachbarzähne 12 und 22 naturgesund waren, wurden zum Lückenschluss zwei Einzelzahnimplantate mit reversibel verschraubten Kronen geplant. Um ein ästhetisch möglichst optimales Ergebnis zu erzielen, wurde dem Patient die Eingliederung von Keramikimplantaten empfohlen. Darüber hinaus wurde er darüber informiert, dass – aufgrund des reduzierten vertikalen Knochenangebotes – die Implantation mit einer Knochenaugmentation kombiniert werden muss.

Chirurgische Phase

Zunächst erfolgte die schonende Extraktion der Zähne 11 und 21. Präoperativ wurde vom Zahntechniker ein herausnehmbares, auf Klammern dental abgestütztes Provisorium angefertigt, dass am Ende der Extraktion eingesetzt wurde. Für die detaillierte Planung der Implantat-gestützten Rekonstruktion wurde ein Backward Planning angewandt. Nach Anfertigung eines diagnostischen Wax ups wurde eine Bohrschablone als Orientierungshilfe angefertigt. Gemäss einer verzögerten Sofortimplantation erfolgte acht Wochen nach der Zahnextraktion die Implantation in Lokalanästhesie. Klinisch zeigten sich reizlose Wundverhältnisse bei ausreichend horizontalem und deutlich reduziertem vertikalem Knochenangebot (Abb. 3, 4). Der Patient wurde präoperativ darüber aufgeklärt, dass die Augmentation nach Möglichkeit mit der Implantation kombiniert werden sollte. Für den Fall, dass das lokale Knochenangebot ein gleichzeitiges Vorgehen nicht ermöglichen sollte, würde zunächst die Augmentation und etwa vier Monate später die Implantation erfolgen. Nach Abpräparation des Mukoperiostlappens zeigte sich in regio 11 und vor allem in regio 21 ein vestibuläres Knochendefizit, wobei die interdentalen Knochenlamellen regio 12 bis 22 noch vorhanden waren (Abb. 5). Aufgrund der Tatsache, dass sich der ossäre Defekt nur auf die vestibulären Knochenlamellen beschränkte, erfolgte die Augmentation gleichzeitig mit der Implantation. Mit Hilfe der zuvor angefertigten Orientierungsschablone konnten zwei Keramikimplantate mit einem 2-teiligem Implantatdesign und mikrorauer Oberfläche in einer optimalen prothetischen Position und Angulation eingesetzt werden (Abb. 6) (Pure Implantat, ZLA Oberfläche, Institut Straumann AG). Beide Implantate konnten primärstabil inseriert werden, jedoch zeigte vor allem das Implantat in regio 21 ein deutlich ausgeprägtes Knochendefizit (Abb. 7). Zur Rekonstruktion der vestibulären Knochenlamellen wurden mit dem Piezosurgery Gerät (Mectron Deutschland) von der vestibulären Kieferhöhlenwand am Übergang vom Processus alveolaris zum Processus zygomaticus zwei Knochenstücke entnommen und jeweils vestibulär der Implantate mit einer Osteosyntheseschraube im Sinne der Schalentechnik nach Khoury fixiert (Abb. 8, 9, 2b). Anschliessend wurden der Spalt zwischen den Implantaten und den Knochendeckeln mit autologen Knochenspänen – die zuvor mit Hilfe des Safescrapers (Safescraper Twist, Imtegra) entnommen wurden – aufgefüllt und mit einer resorbierbaren Kollagenmembran abgedeckt (Jason membrane, Botiss Biomaterials GmbH) (Abb. 10, 11). Nach erfolgter Periostschlitzung konnten die Wundränder spannungsfrei adaptiert und eine transgingivale Einheilung gewährleistet werden (Abb. 12). Um eine frühzeitige Belastung der Implantate zu verhindern wurde das bereits bestehende Provisorium basal ausgeschliffen und unmittelbar postoperativ wiedereingesetzt. Die Nahtentfernung erfolgte am zehnten postoperativen Tag. Aufgrund der gleichzeitig durchgeführten Knochenaugmentation wurde eine unbelastete Einheilzeit von vier Monaten gewählt.

Prothetische Phase

Nach unauffälligem Heilungsverlauf zeigten sich vier Monate nach der Implantation und Augmentation reizlose periimplantäre Weich- und Hartgewebsverhältnisse (Abb. 13), die Osteosyntheseschrauben konnten mittels einer Stichinzision dargestellt und mit dem Schraubenzieher entfernt werden (Abb. 14). In der gleichen Sitzung erfolgte eine off ene Abformung für die Anfertigung eines Provisoriums. Zur Ausformung des periimplantären Weichgewebes wurde eine Woche später ein verschraubtes, laborgefertigtes Langzeitprovisorium aus Kunststoff eingesetzt (Abb. 15). Im Verlauf der nächsten acht Wochen wurden die provisorischen Kronen so lange regelmässig mit Kunststoff erweitert und angepasst, bis das periimplantäre Weichgewebe weitgehend optimal ausgeformt war und die Gingivalränder ein passendes horizontales Niveau in Relation zu den Nachbarzähnen erreicht hatten (Abb. 15-17). Anschliessend erfolgte mit Hilfe eines individuellen Löffels und eines verschraubten Abformpfostens die offene Abformung (Abb. 18). Wird eine digitale Abformung mit einem Intraoralscanner bevorzugt, so steht für das zweiteilige Keramikimplantat auch ein Scankörper zur Verfügung (Abb. 19). Zwei Wochen nach der Abformung wurden die Keramik-Einzelkronen eingesetzt (Abb. 20, 21, 2c). Die letzte klinische Nachkontrolle neun Monate nach Implantation und Knochenaugmentation zeigte völlig reizlose periimplantäre Verhältnisse (Abb. 22). Die CAD CAM-gefertigte zahntechnische Arbeit kann sowohl in einem zentralen Fräszentrum als auch im Dentallabor hergestellt werden. Dieser Workflow ermöglicht den Zugriff auf die komplette Bandbreite an innovativen Materialien, welche den modernen medizinischen und ästhetischen Ansprüchen gerecht werden. Sämtliche zahntechnische Arbeiten wurden vom Labor Held Zahntechnik (Gossau, CH) angefertigt.

Fazit

Zirkonoxidimplantate mit Tissue Level Design stellen eine zuverlässige Behandlungsoption bei Frontzahnrekonstruktionen dar und ermöglichen bei entsprechender Planung und Umsetzung auch in komplexen Fällen ästhetisch ansprechende und vorhersagbare Ergebnisse. Das zweiteilige Implantatdesign erlaubt die Eingliederung von reversibel verschraubten Suprakonstruktionen. Darüber hinaus kann durch das zweiteilige Implantatdesign eine unerwünschte, frühzeitige Überbelastung während der frühen Einheilphase, vor allem in Fällen, bei denen die Implantation mit einer Knochenaugmentation kombiniert wird, weitgehend vermieden werden.

Literatur

1. Bormann KH, Gellrich NC, Kniha H, Dard M, Wieland M, Gahlert M, et al. Biomechanical evaluation of a microstructured zirconia implant by a removal torque comparison with a standard Ti-SLA implant. Clinical Oral Implants Research. 2012;23(10):1210-6.
2. Gahlert M, Roehling S, Sprecher CM, Kniha H, Milz S, Bormann K. In vivo performance of zirconia and titanium implants: a histomorphometric study in mini pig maxillae. Clinical oral implants research. 2012;23(3):281-6.
3. Gahlert M, Roehling S, Wieland M, Sprecher CM, Kniha H, Milz S. Osseointegration of zirconia and titanium dental implants: a histological and histomorphometrical study in the maxilla of pigs. Clinical oral implants research. 2009;20(11):1247-53.
4. Gahlert M, Rohling S, Wieland M, Eichhorn S, Kuchenhoff H, Kniha H. A comparison study of the osseointegration of zirconia and titanium dental implants. A biomechanical evaluation in the maxilla of pigs. Clin Implant Dent Relat Res. 2010;12(4):297-305.
5. Gahlert M, Kniha H, Weingart D, Schild S, Gellrich NC, Bormann KH. A prospective clinical study to evaluate the performance of zirconium dioxide dental implants in single-tooth gaps. Clin Oral Implants Res. 2016;27(12):e176-e84.
6. Becker J, John G, Becker K, Mainusch S, Diedrichs G, Schwarz F. Clinical performance of two-piece zirconia implants in the posterior mandible and maxilla: a prospective cohort study over 2 years. Clinical oral implants research. 2017;28(1):29-35.
7. Roehling S, Astasov-Frauenhoffer M, Hauser-Gerspach I, Braissant O, Woelfler H, Waltimo T, et al. In Vitro Biofilm Formation on Titanium and Zirconia Implant Surfaces. J Periodontol. 2017;88(3):298-307.