Zahntechniker sind mit ambivalenten Anforderungen konfrontiert. Altes soll sich mit Neuem vertragen und das Handwerk mit der Digitalisierung harmonisieren.
Der Zahnersatz soll individuell aussehen und doch nach standardisierten Parametern gefertigt sein. Mitarbeiter sollen ein angemessenes Gehalt bekommen; zugleich müssten Kosten im Labor gesenkt werden. Gar nicht so einfach, diese teils gegensätzlichen Wünsche zu erfüllen. Wie man auf die Herausforderungen der Branche adäquat reagieren kann, zeigten vier Referenten beim Forum Zahntechnik 2021 von Medentika (Straumann Group).
Wie sieht die Zahntechnik der Zukunft aus? Dieser Frage widmete sich das Forum Zahntechnik am 7. Mai 2021. Initiiert vom Unternehmen Medentika (Straumann Group) fand die Veranstaltung im kurzweiligen Online-Format unter dem Motto „Technik, Team und Tasting“ statt. Vier Referenten widmeten sich dem Spannungsfeld zwischen Digitalisierung, Handwerk, Dienstleistung, Kommunikation und Unternehmensführung. Sie beleuchteten die verschiedenen Aspekte, die den Laboralltag prägen und verdeutlichten, wie komplex die Herausforderungen sind. Durch das Programm führte ZTM Stephan Röben. Nach der Begrüßung durch Andreas Utz (Geschäftsführer Straumann GmbH) startete der Vortragsblock mit einem Weckruf.
Dr. Björn Eggert: Spieler, Trainer, Manager
Zahnarzt und Gesundheitsökonom Dr. Björn Eggert brachte eine eindringliche Botschaft mit und zeichnete ein komplexes Gesamtbild der Branche „Zahntechnik“. Eine faktenbasierte Analyse gilt für ihn als Grundlage, um die Zukunft erfolgreich zu gestalten. Der Referent analysierte klar und sachlich die Schwierigkeiten, vor denen Dentallabore stehen. Zunächst ging er darauf ein, was sich in der Branche in 30 Jahre alles verändert hat. „Oft berichten Zahntechniker über den Wandel aus der Position des Spielers oder Trainers“, sagte er und lud dazu ein, als Manager zu denken. Mit seinen Worten regte er zum Nachdenken an und untermauerte seine Aussagen mit interessanten Kennzahlen. Lohnentwicklung, Kaufkraftparität, Kostenstruktur … – er verdeutlichte viele Aspekte und plädierte für ein umsichtiges, vorausschauendes Handeln. Auch die politische Lage sei zu beobachten. Ob Bürgerversicherung, solidarische Gesundheitsversicherung, duales System, solidarisch finanzierte Versicherung – all diese Schlagworte im Schatten der Bundestagswahl sind für die Zahntechnik relevant.
Botschaften aus dem Vortrag:
Was wird die nahe Zukunft bringen?
- Mehr fachfremde Investoren werden am Markt agieren. Zudem rückt die industrielle Fertigung verstärkt in den Fokus.
- Ein deutlich schnellerer Datentransfer wird den Alltag im Dentallabor bestimmen.
- Dentaltrader könnten ihre Leistung anbieten und z. B. einen ausländischen, kostengünstigen Dentaldesigner vermitteln, der dann die CAD-Daten an ein spezialisiertes Fräszentrum sendet.
- Regulatorische Vorgaben werden zunehmen. Die Anzahl der Labore wird weiter sinken.
Wie können Dentallabore reagieren?
- „Suchen Sie sich starke Partner und / oder bilden Sie Einkaufsgemeinschaften.“
- „Lagern Sie unrentable Fertigungsschritte aus.“
- „Stärken Sie den Vertrieb und die Services. Suchen Sie sich Ihre Nische.“
- „Setzen Sie auf Marketing und Kommunikation. Helfen Sie Ihren Kunden dabei, die richtige Entscheidung – die Zusammenarbeit mit Ihnen – zu treffen.“
Jeder kann gewinnen, aber nicht alle!
ZTM Clemens Schwerin: Digitales Basiswissen
ZTM Clemens Schwerin (LMU München) begeisterte mit Farben, Folien und Vokabeln. Er unternahm eine rasante Reise durch die digitale Welt der Zahntechnik und brachte Durchblick in den Wirrwarr der Digitalisierung. Mit einem Routenplan lotste er durch den Workflow – Datenerfassung, Datenübertragung, Konstruktion, Fertigung – und sensibilisierte für Schnittstellen. Die geschlossene Schnittstelle sei wie ein Autopilot und somit relativ sicher; zugleich ist der Zahntechniker wenig flexibel. Hingegen bietet die offene Schnittstelle vollste Flexibilität, jedoch bedarf es umfassenden Wissens, um den Rohdatensatz für die Weiterarbeit zu konvertieren. ZTM Schwerin setzt auf die abgestimmte Schnittstelle. Es wird im offenen Workflow gearbeitet. Zahntechniker haben einen großen „Werkzeugkasten“; Schnittstellen sind kompatibel. Beim Zwischenstopp der Fertigung betonte der Referent, dass Fremdfertigung je nach Situation für das Labor günstiger sein könnte. Und während derzeit oft „modellfrei“ im Fokus steht, sagt er: „Ich bevorzuge es, auf einem Modell zu arbeiten.“ Hierfür benötigt der Zahntechniker einen 3D-Drucker. Doch welche Technologie? SLA, FDM, DLP, Polyjet, Moving DLP – für den Referenten gibt es keinen Gewinner. Vielmehr unterstrich er, dass in eine Entscheidung nicht nur der Drucker, sondern auch die Software (z. B. für das Modell) sowie der gesamte Prozess der Nachbearbeitung und der Entsorgung einzubeziehen sind.
Botschaften aus dem Vortrag:
- „Denken Sie nicht nur an Technologien, sondern betrachten Sie die Schnittstellen.“
- „Seien Sie vorbereitet auf eine Zunahme an Intraoralscannern. Neueste Geräte-Generationen vermitteln Informationen bereits in 5D und sind mit ersten KI-Ansätzen ausgestattet.“
- „Offener, geschlossener oder abgestimmter Workflow: Machen Sie einen Plan, welcher Weg für Sie optimal ist.“
- „Achten Sie beim 3D-Drucker auf den Gesamtprozess. Es gibt bereits Druckersysteme mit Waschstraße, bei denen die einzelnen Geräte miteinander kommunizieren (Industrie 4.0).“
- Behalten Sie den Durchblick: Clemens Schwerin vermittelt auf der Wissensplattform www.cad-cam.training alles rund um die digitale Zahntechnik.
Wer die Daten hat, hat den Job! Seien Sie sichtbar!
ZTM Vincent Fehmer: Moderne Konzepte in der Implantatprothetik – erfolgreich mit Klebebasen!
ZTM Vincent Fehmer (Universität Genf) schloss sich seinem schwungvollen Vorredner an. Mit einer lebendigen Kombination aus Wissenschaft und Praxis widmete er sich modernen Materialien und Verfahrenswegen in der Implantatprothetik. Im Mittelpunkt standen Hybridabutments auf Klebebasen. Mit einem Ausflug in die Werkstoffkunde beantwortete er zunächst die Frage nach „monolithisch vs. verblendet“. ZTM Fehmer bevorzugt die monolithische Fertigung (Seitenzahnbereich), da Frakturen der Verblendkeramik ausgeschlossen seien. Der Referent unterlegte seine Aussage mit Daten aus einer Übersichtsarbeit. Implantatgetragene, auf einem Zirkonoxidgerüst verblendete Bücken zeigen demnach ein ausgeprägtes Risiko für Brüche und Chipping [1]. Wertvolle Tipps für okklusal verschraubte Restaurationen auf einer Titanklebebasis ergänzten seine Ausführungen. Zudem verwies er darauf, dass bei mehrgliedrigen Restaurationen die Wahl der Titanklebebasis für die Langzeitstabilität entscheidend ist. Bei Brücken sei die zylindrische Titanklebebasis den klassischen konischen Klebebasen ohne Retention vorzuziehen [2]. Für das adhäsive Verkleben von Titanbasis mit dem keramischen Abutment fasste ZTM Fehmer zusammen, dass die Entscheidung für das Befestigungsmaterial mit Blick auf das Restaurationsmaterial getroffen werden sollte. Zudem seien opake Zemente gerade bei dünneren Wandstärken günstiger, um die graue Farbe der Titanbasis zu maskieren [3].
Botschaften aus dem Vortrag:
- „Arbeiten Sie – wann immer möglich – monolithisch und streben Sie die Balance aus maximaler Ästhetik und maximaler Sicherheit an.“
- „Verblenden Sie im Frontzahngebiet nur die vestibulären Anteile. Funktionsflächen (palatinal, inzisal) werden monolithisch gestaltet.“
- „Setzen Sie bei mehrgliedrigen Implantatrestaurationen auf zylindrische Klebebasen für Brücken.“
- „Vor dem Verkleben sollte die Klebebasis mit 50 µm Al2O3 abgestrahlt werden [4].“
Nutzen Sie die neuen Medien und digitalen Möglichkeiten im Sinne der Patienten.
ZTM Michael Zangl: Schnittstelle Zahntechnik – Analyse, Planung und mehr
Am Anschluss widmete sich ZTM Micheal Zangl (Cham) der Planung als Erfolgsgrundlage. Ausgehend von drei Patientenfällen, bei denen der Weg zum Ziel über vermeidbare Umwege führte, bekräftigte er die Bedeutung einer zahntechnischen Analyse. Wichtig für ihn ist die enge Zusammenarbeit mit dem Zahnarzt und die gute Kommunikation mit dem Patienten. Seine praxisorientierte Darstellung verdeutlichte, dass digitale Planungstools grundsätzlich wichtige Hilfsmittel sind. Gleichwohl darf der „analoge“ Patient nie aus den Augen verloren werden. Interessant war der Ausflug in die Zahnfarbbestimmung. „Digitale Kameras machen nicht nur Fotos.“ Mit der Digitalfotografie erfolgt das Messen der Farbe im L*a*b*-Farbraum anhand von objektiven Fakten und kann exakt kommuniziert werden (eLab -System, Sascha Hein). Und auch analoge Werkzeuge sind fester Bestandteil im Analyse- und Planungskoffer von ZTM Zangl, z. B. Kaschierfolie und helles Wachs für die schnelle Visualisierung des Ergebnisses im Patientenmund.
Botschaften aus dem Vortrag:
- „Analyse: Modell- und Risikoanalyse erfolgen gemeinsam mit dem Zahnarzt und Patienten.“
- „Planen: Sorgen Sie für eine Struktur; die schafft Sicherheit und sorgt für höhere Zufriedenheit.“
- „Zuhören: Der Patient bringt zu 100 % die Lösung mit.“
- „Empathie: Sorgen Sie für eine gute, offene Kommunikation zum Zahnarzt und Patienten.“
Als Zahntechniker sitzen wir oft zwischen den zwei Stühlen von Zahnarzt und Patient.
Fazit
Das diesjährige Forum Zahntechnik (initiiert von Medentika, Straumann Group) gab einen Rundumblick auf die Situation der Zahntechnik im Jahr 2021 und spannende Zukunftsimpulse. Die vier Referenten skizzierten gemeinsam das Bild einer modernen Zahntechnikerlandschaft zwischen Digitalisierung, Handwerk und Unternehmen. Beim abschließenden virtuellen Gin-Tasting trafen sich Referenten, Teilnehmer und Organisatoren zum aktiven Netzwerken auf der Plattform Wonder.me.
Annett Kieschnick, Freie Fachjournalistin