Apropos Persönlichkeit. Einer Studie1 zufolge, die sich damit beschäftigt hat, welche Inhalte potenzielle Patient*innen bei Social Media von ihren Ärzten sehen wollen, standen Beiträge aus dem privaten Bereich der Ärzte neben Beiträgen zu Behandlungsmethoden und Gesundheitstipps aus dem Fachbereich ganz oben auf der Wunschliste. Wieviel Persönlichkeit sollten Ärzte auf ihrem Instagram-Account zulassen?
Felix Beilharz: Es macht schon Sinn, mehr Persönlichkeit zu zeigen. Kleine Einblicke ins Privatleben, die das Hobby betreffen oder etwas aus dem Tagesablauf zeigen, schaffen Vertrauen und es können sich beim nächsten Besuch in der Praxis auch spannende Gespräche ergeben. Als Patient möchte ich meinen Zahnarzt einschätzen können: Passt er zu mir, ist er vertrauenswürdig? Auf dieser Ebene will ich ihn kennen lernen.
Ich habe Kunden, die sagen: Herr Beilharz, ich habe das Gefühl, Sie schon jahrelang zu kennen. Dabei haben wir uns zuvor nie persönlich getroffen. Aber das ist etwas, was ich über meine Online-Beiträge bewirken kann: das Gefühl zu erzeugen, dass eine Art „Verbindung“ besteht. Das ist der eine Punkt.
Ein weiterer: bloß nicht zu wissenschaftlich posten. Wenn man etwas Wissenschaftliches bringt, dann sollte es verständlich sein und so dargestellt, dass es für mich als Laien „umsetzbar“ wird. Zum Beispiel etwas zum Thema „freiliegende Zahnhälse“; was sind die Ursachen, was kann ich dagegen tun. Inhalte, die potenziellen Patient*innen etwas bringen.
Sie sprechen damit einen der Top-Trends an: Fast 90 Prozent der Internetnutzer in Deutschland informieren sich online zum Thema Gesundheit. „Dr. Google“ ist sehr gefragt und in den letzten Jahren stieg die Nutzung des Internets zur Beschaffung von gesundheitsrelevanten Informationen um ca. 40 Prozent2.
Felix Beilharz: Genau, und dieses Nutzerverhalten sollten sich Ärzte und Zahnärzte zunutze machen. Dabei muss der Arzt nicht sein ganzes Know-how verschenken. Aber in kleinen Päckchen Wissen herauszugeben und Gesundheitstipps, die konkret für mich als Laien umsetzbar sind, das macht solch einen Account nachher interessant und das sind auch Beiträge, die weitergereicht werden und für Aufmerksamkeit sorgen. Auch eine Chance: auf aktuelle News aufspringen und dazu etwas erzählen. Ich habe gestern zum Beispiel eine Schlagzeile gelesen: Nur 79 Prozent der Erwachsenen in Deutschland putzen ihre Zähne regelmäßig. Das ist eine krasse Schlagzeile und geht als solche schon viral. Da kann ein Zahnarzt eine Minute etwas zu erzählen. Das ist super spannend.
Dann empfiehlt es sich hinsichtlich eines Instagram-Accounts, sozusagen Praxis und Privates zu kombinieren?
Felix Beilharz: Ja, die Mischung macht’s. Verbinde Personality-Content mit fachlichen Beiträgen wie zahnrelevanten Tipps und Tricks. Auch Beiträge zu aktuellen Themen zu produzieren, ist super spannend. Dafür braucht man auch nicht zwei Accounts. Es ist sinnvoll, sich auf einen Account zu fokussieren und den dann regelmäßig bespielen; das ist für die meisten auch im Tagesgeschäft handhabbar. Noch ein Tipp: Wenn man einen Post hatte, der gut war, lohnt es sich, mehr in diese Richtung zu denken. Kann ich daraus noch mehr produzieren, kann ich das Thema andersrum zeigen. Aus erfolgreichen Beispielen zu lernen, das ist eine sehr, sehr gute Idee, die Arbeit spart und Chancen erhöht. Es hilft schon einmal sehr, aus dem Blickwinkel der Kunden, sprich der Patientinnen und Patienten, zu denken.
Gute Inhalte, also guter Content, ist einer der wichtigsten Eckpfeiler in einer modernen Social Media-Marketing Strategie, sagen Sie. Guten Content bereitzustellen, ist aber teuer. Ob es ein Video ist, ein Instagram-Beitrag oder anderes: Es kostet Ressourcen wie Zeit, Energie, Geld. Wie schafft man es mit knappen Ressourcen dennoch ein erfolgreiches und professionelles Social Media-Marketing zu betreiben? Wie kann das Team so etwas aufbauen?
Felix Beilharz: Dafür muss wirklich Zeit eingeräumt werden – einige Stunden pro Tag sind realistisch. Ideal ist es, wenn eine Person im eigenen Praxis-Team den Hut aufhat, die die Fäden in der Hand behält und diese Inhalte auch verantwortet. Das ist nichts, was einfach noch nebenher geleistet werden kann. Ich empfehle eine Mitarbeiter*in, die als Digital Marketing Manager oder Social Media Manager in der Praxis diese Aufgaben übernimmt. Eine Halbtagsstelle wäre gut investiert. Diese Person holt dann die Videos aus der Praxis ein. Dabei baut die Zahnärztin bzw. der Zahnarzt sein Video-Setup nicht selbst auf, sondern spricht nur in die Kamera. Was er genau sagen soll, die Richtung, in die es gehen soll, macht die verantwortliche Person. Sie kümmert sich ums Hochladen, um das Schreiben der Beitragstexte, die Beantwortung von Kommentaren usw. Es sollte schon Content geliefert werden von den Menschen, die auch in der Praxis zu sehen sind.
Sollte das alles Inhouse, also praxisintern, passieren?
Felix Beilharz: Grundsätzlich lassen sich diese Aufgaben auch an Freelancer oder Agenturen auslagern, da gibt es genügend externe Dienstleister. Aber: Das Know-how im Unternehmen, also in der Praxis, selbst zu haben und zu halten, ist wertvoll. Das ist ein klares Asset. Dabei ist es sinnvoll, ganz zu Beginn einen Schritt zurückzutreten und zu überlegen, wie wollen wir eigentlich auftreten, was sind unsere Praxiswerte, wie ist die Unternehmenskultur, die wir nach draußen transportieren wollen. Sind wir die hippen, lustigen oder sind wir eher zurückhaltend, konservativ…
Solche Fragen muss man sich erst einmal stellen, denn sie bestimmen den gesamten Auftritt. Darüber hinaus sollten die Ziele definiert werden: Geht es um Mitarbeiter*innen-Recruiting, sollen Bewerbungen generiert werden, geht es um Gewinnung neuer Patient*innen, soll die Bekanntheit der Praxis gesteigert werden usw. Dann überlege ich, wo das Team dafür aktiv sein sollte. Das werden in der Regel die großen Plattformen sein: also Instagram mit der größten Bandbreite; Facebook ist als zweitgrößte Plattform immer noch hochrelevant, besonders bei den Nutzern ab 40 Jahren.
Wenn ich vorhabe, mit Kurzvideos zu punkten, kann auch YouTube miteinschließen. Die Videos tauchen auch bei der Google-Suche auf – eine Chance mehr, gesehen zu werden. Einen WhatsApp-Kanal zu eröffnen wäre der siebte, achte Schritt. Wer das jüngere Publikum „U30“ ansprechen will, kommt eindeutig an TikTok nicht vorbei. Da stehen aktuell die Chancen auf Bekanntheit, Sichtbarkeit und Steigerung der Reichweite sehr hoch.