Kompensation ungünstiger Implantatangulationen durch Abutments mit abgewinkeltem Schraubenkanal

Anwenderbericht ASC Flex (Medentika, Straumann) von Dr. Martin Gollner und ZTM Simon Schömer

Die moderne Implantologie ist von dem Wunsch geprägt, Indikationsgebiete zu erweitern. Es soll möglichst vielen Patientinnen und Patienten eine sichere, langzeitstabile implantatprothetische Rehabilitation angeboten werden können.
Unterschiedliche Maßnahmen im Rahmen der Knochenaugmentation und des Weichgewebemanagements eröffnen vielfältige Möglichkeiten. Zusätzlich zu den chirurgischen Vorgehensweisen werden prothetische Komponenten, Fertigungstechnologien sowie Restaurationsmaterialien stetig weiterentwickelt. Individuelle Abutments, Titanbasen, moderne Keramiken, CAD/CAM-Fertigung … Fokus der Optimierungen liegt auf Funktion, Ästhetik und Sicherheit.
So wird u. a. der Verbindung zwischen Implantat und prothetischer Restauration hohe Beachtung gezollt. Unterschieden werden kann zwischen externen und internen Verbindungen, wobei externe Verbindungen eine geringere Langlebigkeit und Bruchfestigkeit zeigen [1, 7, 8]. Grundsätzlich kann die prothetische Restauration auf dem Implantat zementiert oder verschraubt verankert werden.
Für die Entscheidung sind verschiedene Gesichtspunkte zu betrachten (z. B. parodontale, funktionelle und ästhetische Gegebenheiten). Letztlich muss die Suprastruktur derart gestaltet werden können, dass eine optimale Reinigungsmöglichkeit, eine ausreichend hohe Stabilität, eine angemessene funktionelle Belastung des Implantats (axial) und eine gute Ästhetik vereint werden. Als Vorteil des Verschraubens gilt die bedingte Abnehmbarkeit, die eine dauerhafte Befestigung ermöglicht und zugleich eine Entnahme der Suprakonstruktion (z. B. im Falle einer Komplikation) zulässt. Zudem wird mit dem Verschrauben das Risiko, welches aus einer Zementierung resultieren kann, umgangen [8, 9, 10].

Ein Nachteil verschraubter Restaurationen besteht in der Forderung einer achsengerechten Implantatposition, um ästhetische Limitationen durch einen nach vestibulär ausgerichteten Schraubenkanal zu vermeiden. Bei einer ungünstigen Inklination der Implantatachse stellt dies eine Herausforderung dar. In solchen Situationen können Abutments mit abgewinkeltem Schraubenkanal (z. B. ASC Flex, Medentika) ein Lösungsweg sein. Diese Abutments bieten die Möglichkeit, den Schraubenkanalaustritt – bis zu einem gewissen Maße – den klinischen Gegebenheiten anzupassen. Der Schraubenkanal kann idealisiert positioniert werden (ästhetisch und funktionell), ohne die Anforderungen an das Abutmentdesign (z. B. biomechanische Parameter) außer Acht zu lassen. 

Prothetisch orientierte Implantatprothetik

Während einst das Knochenangebot maßgeblich die Implantatposition bestimmte, wird heute das Implantat strategisch so in den Kieferkamm geplant, dass im Dentallabor eine optimale prothetische Restauration gefertigt werden kann. Die prothetische Orientierung der Implantatposition hat aber nicht nur ästhetische und funktionelle Vorteile, sondern unterstützt zugleich den Langzeiterfolg der Implantat-therapie. Idealerweise können biologische und prothetische Gegebenheiten vereint und mit der Implantatposition und -Achsausrichtung ideale Voraussetzungen
geschaffen werden (z. B. Reinigungsmöglichkeit, Ästhetik). Doch nicht immer sind
optimale Bedingungen gegeben. So kann beispielsweise das prothetisch-orientierte Positionieren eines Implantats im Kiefer, welches verschraubt versorgt werden soll, vor allem bei schwierigen anatomischen Gegebenheiten eine Herausforderung sein. Der Schraubenkanal sollte die Ästhetik nicht beeinträchtigen. Zugleich muss eine ausreichende Stabilität erzielt werden.

Hybrid-Abutment als Implantat-Aufbauelement

Individuelle CAD/CAM-Abutments gelten in den meisten Indikationen als State of the Art. Emergenzprofil, Form und Dimension lassen sich individuell der Situation anpassen. Insbesondere die zweiteilige Gestaltung über ein Hybridabutment hat sich in den vergangenen Jahren etabliert. Hybridabutments bestehen aus der Titanklebebasis und einem keramischen Aufbau. Grundsätzlich haben sich Hybridabutments als ähnlich stabil erweisen wie einteilige Titanabutments [5, 6].
Ein Vorteil ist, dass die Verbindung zum Implantat in Titan gestaltet ist.
Titan (Abutment) auf Titan (Implantat) – aus dieser Verbindung resultiert ein geringerer Verschleiß; Abutments mit Titanklebebasis zeigen weniger Abrieberscheinungen als einteilige Keramikabutments [17, 18]. Als keramisches Material für das Abutment kann Zirkonoxid verwendet und mit der Titanbasis verklebt werden [2 - 4]. 

Abutments mit abgewinkeltem Schraubenkanal

Bei einer ungünstigen Inklination des Implantats sowie im Frontzahnbereich kann die angulierte Verschraubung des Hybridabutments mit dem Implantat – Angulated Screw Channel (ASC) – ein möglicher Weg sein, um den Schraubenkanal an einer nicht störenden Stelle austreten zu lassen. Das Verschrauben erfolgt auf Implantatniveau; der Schraubenkanalaustritt wird auf einen ästhetisch und funktionell günstigen Bereich ausgerichtet, z. B. die Palatinal- oder Okklusalfläche. Die Titanbasis ASC Flex (Medentika) – wahlweise mit oder ohne abgewinkeltem Schrauben-kanal – ist kompatibel mit gängigen Implantatsystemen. Somit können Implantate, die diese Möglichkeit für den prothetischen Aufbau nicht bieten, in entsprechender Indikation versorgt werden.

Die Titanbasis ist für implantatprothetische Restaurationen entwickelt worden, bei denen im Fronzahnbereich oder bei ungünstiger Implantatposition das Verlegen des Schraubenkanals nach oral verlangt ist. Mit dem Abwinkeln des Schraubenkanal (bis maximal 25°) lässt sich durch eine Kugel-Torx-Schraubendreher-Aufnahme die
Öffnung in ästhetisch und funktionell nicht so relevante Bereiche verlagern.
Da sich die Kaminhöhe in vier verschiedenen Längen (6,5 mm; 5,5 mm; 4,5 mm; 3,5 mm) individualisieren lässt, ist zusätzlich Flexibilität für das Herstellen der prothetischen Restauration gegeben. Der innenliegende Rotationsschutz sorgt für Stabilität und sichert die Positionierung der prothetischen Versorgung. Für die CAD/CAM-gestützte Herstellung von Hybridabutments kann mit den digitalen Bibliotheken von dentalwings, 3shape und exocad gearbeitet werden (Scanbodys). Alternativ ist der analoge Fertigungsweg möglich; es stehen entsprechende Kunststoffkappen für die Guss- und Presstechnik zur Verfügung. Anhand von zwei Patientenfällen werden mögliche Anwendungsbeispiele dargestellt.

Darstellung zweier Patientenfälle

Nicht immer sind die klinischen Gegebenheiten so optimal, dass sich implantatchirurgische und prothetische Anforderungen vereinen lassen. In diesen Situationen ist im Sinne des bestmöglichen Ergebnisses lösungsorientiert vorzugehen und ggf. auf Alternativen zurückzugreifen. 

Fall 1 – Implantatgetragene Brücke im Oberkiefer (ohne Rotationsschutz) (Abb. 1 bis 12)

Die in regio 15 bis 17 inserierten Implantate (Promote, Camlog, ø 4,3 mm) sollten mit einer zu verschraubenden keramischen Brücke versorgt werden.
Nach der Implantatüberabformung und dem Herstellen des Implantatmodells mit abnehmbarer Zahnfleischmaske wurde der zum Implantat passende Scanbody (ASC Flex, Medentika) aufgeschraubt und die Situation im Laborscanner digitalisiert.
In der CAD-Software konnte entsprechend der Situation eine in Form, Funktion und Ästhetik ideale Brückenrestauration konstruiert werden. Der Schraubenkanal der Titanbasis ASC Flex kann den Gegebenheiten angepasst und bis zu 25° abgewinkelt werden. Dies ermöglichte in diesem Fall eine Idealisierung des Schraubenaustritts in den okklusalen Bereich der Kronen (keine ästhetischen Einschränkungen und ausreichende Stabilität).

Die Herstellung der Restauration erfolgte aus Zirkonoxid. Die funktionellen Bereiche wurden monolithisch gestaltet und die vestibulären Anteile nach einem Cut-Back mit Verblendkeramik individuell geschichtet. Der Schraubenkanal war komplett in Zirkonoxid gefasst. Nach der Fertigstellung der Brücke folgte das Vereinen mit den Titanbasen.

Die Gesamtstabilität einer Restauration auf Hybridabutments ist u. a. von der Qualität der adhäsiven Verklebung abhängig. Hierbei beruht der Verbund zwischen Zirkonoxid und Titan auf einer mikromechanischen und einer chemischen Haftung.
Zu beachten ist, dass sich Zirkonoxid in einem ganz wesentlichen Punkt von anderen Keramiken unterscheidet: Zirkonoxid kann nicht geätzt werden [9]. Für eine adäquate Vorbehandlung wurde daher die Klebefläche mit Aluminiumoxid (Al2O3)
korundgestrahlt [10, 11] ebenso wie die Klebefläche der Titanklebebasis (nach
Verschließen des Schraubenkanals). Die Anschlussgeometrie blieb unberührt.
Nach dem Vorbereiten der Klebeflächen erfolgte entsprechend dem Befestigungs-protokoll das Verbleben von Titanbasis und Keramikkrone auf dem Modell.
Danach lag die Aufmerksamkeit auf der Klebefuge und dem basalen Bereich.
Dieser Bereich der Implantat-Abutmentverbindung steht im direkten Kontakt mit dem periimplantären Weichgewebe und sollte daher im Rahmen der Abutmentherstellung eine entsprechende Gewichtung erhalten. Nach dem Entfernen von Überschüssen des Befestigungsmaterials wurde die Fuge mit Gummipolierern nachgearbeitet. Angestrebt werden sollte eine Oberflächenrauheit von ca. 0,2 mm. Dieser Rauheitswert scheint optimal für die Anlagerung von Fibroblasten geeignet zu sein und eine nur geringe Plaqueanlagerung aufzuweisen [15, 16].

Der entsprechenden Reinigung folgte das Verschrauben der implantatprothetischen Restauration im Mund. Hierfür steht für die ASC-Flex das Eindrehinstrument Kugel-Torx zur Verfügung, welches beim Verschrauben eine entsprechende Kraftübertragung gewährleistet. Nach einer Kontrolle der mit den Implantaten verschraubten Restauration in regio 15 bis 17 wurden die beiden Schraubenkanäle im okklusalen Bereich mit medizinischem Teflonband und zahnfarbenem Komposit verschlossen. Durch die abgewinkelten Schraubenkanäle der Titanbasis ASC-Flex (Medentika) konnte die aufgrund der anatomischen Gegebenheiten etwas ungünstige Implantatachsneigung optimal ausglichen werden.

Fall 2 – Implantatgetragene Krone im Unterkiefer (mit Rotationsschutz Tube in Tube) (Abb. 13 bis 18)

Die Titanbasis ASC Flex ist mit und ohne Rotationsschutz erhältlich. Zur Herstellung von Implantatkronen ist beispielsweise eine Tube-in-Tube-Verbindung zur Positionierung/ Rotationssicherung verfügbar. Die Kronen werden verdrehsicher auf dem Implantat fixiert. Durch den innenliegenden Rotationsschutz wird die Materialstärke der Restauration beibehalten; Sollbruchstellen werden vermieden.
Im Fallbeispiel wurde das Implantat regio 37 (Promote, ø 4,3 mm, Camlog) mit einer vollkeramischen Krone auf der Titanbasis ASC Flex versorgt und dank des abgewinkelten Schraubenkanals konnte ein ästhetisch optimales prothetisches Ergebnis erzielt werden.

Fazit

Großer Vorteil von zweiteiligen Abutments (Hybridabutment auf Titanklebebasis) ist die Möglichkeit einer Verschraubung bei zugleich hohen ästhetischen Eigenschaften. Eine Titanklebebasis mit abgewinkeltem Schraubenkanal (ASC Flex) stellt eine gute Möglichkeit dar, in bestimmten Situationen die klinischen Voraussetzungen, die von der Positionierung des Implantats bestimmt sind, im Sinne einer optimalen prothetischen Versorgung anzupassen. 

Literatur:

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[3] Yilmaz B, Salaita LG, Seidt JD, McGlumphy EA, Clelland NL. Load to failure of different zirconia abutments for an internal hexagon implant.
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[4] Mascarenhas F, Yilmaz B, McGlumphy E, Clelland N, Seidt J. Load to failure of different zirconia implant abutments with titanium components.
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[8] Sailer I, Sailer T, Stawarczyk B, Jung RE, Hammerle CH. In vitro study of the influence of the type of connection on the fracture load of zirconia abutments with internal and external implant-abutment connections.
The International journal of oral & maxillofacial implants. 2009;24(5):850-858

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