#Effizienz 12.12.2024

Alveolarkamm erhalten, Sinuslifts vermeiden, Risiken minimieren

XenoFlex - Neue Studie: Verwendung eines biomimetischen, dem nativen Knochen ähnlichen Kompositmaterials [1] nach Zahnextraktion reduziert Bedarf an Sinusaugmentationen in der Implantologie

Wenn Knochen fehlt, wird die implantologische Rehabilitation komplex. Besonders bei einer Atrophie im posterioren Oberkieferbereich erfordert eine Implantatinsertion in der Regel Augmentationsverfahren wie Sinusbodenelevationen, um unzureichendes Knochenvolumen auszugleichen. Salopp gesagt: Kein Knochen, kein Implantat! Vor diesem Hintergrund ist jede weitblickende Lösung, die bereits zum Zeitpunkt der Zahnextraktion Knochen erhält und einer Atrophie entgegenwirkt, ein deutlicher Gewinn für Patientinnen und Patienten. Wie eine praxisnahe Lösung unter Verwendung eines alveolaren Füllmaterials bovinen Ursprungs aussehen kann, zeigt ein Team der Klinik und Poliklinik für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie der Uniklinik Mainz in einer aktuellen in der internationalen Fachzeitschrift „Clinical Implant Dentistry and Related Research“ veröffentlichten prospektiven klinischen Studie. [2] Prof. Dr. med. Dr. med. dent. Eik Schiegnitz fasst im Gespräch mit Dr. med. dent. Aneta Pecanov-Schröder die ermutigenden Studienergebnisse und praxisrelevanten Erkenntnisse zusammen und gibt einen Einblick in laufende Untersuchungen des Autorenteams.

Der Erhalt der knöchernen Strukturen ist eine Grundvoraussetzung für ein funktionelles und ästhetisches Ergebnis einer implantatgetragenen Rehabilitation. [3] Typischerweise kommt es nach Zahnextraktionen zu einer Atrophie des Alveolarkammes in vertikaler und horizontaler Dimension, deren Ursache der Abbau des parodontalen Bündelknochens ist. Im zahnlosen Seitenzahnbereich des Oberkiefers machen Resorptionen des Alveolarknochens und eine Sinus-Pneumatisierung – ein Prozess, bei der sich das Kieferhöhlenvolumen vergrößert – zusätzliche Maßnahmen, i.d.R. interne oder externe Sinusbodenelevationen, erforderlich, um unzureichendes Knochenvolumen zu kompensieren.

Neue Studie aus Mainz

Inwieweit der Erhalt des Alveolarkamms unter Verwendung eines alveolären Knochenersatzmaterials (Straumann® XenoFlex) und einer porcinen Kollagenmembran (Jason® membrane) den Bedarf an Sinusbodenelevationen im Vergleich zur natürlichen Wundheilung nach Zahnextraktion signifikant verringert, untersuchten die (Zahn)Ärzte und Wissenschaftler Dr. Elias Jean-Jacques Khoury, apl. Prof. Dr. Dr. Eik Schiegnitz, Prof. Dr. Dr. Bilal Al-Nawas (Direktor der Klinik) und Kollegen.

Alveolar Ridge Preservation mit KEM

Das Team konzipierte die vergleichende klinische Studie mit zwei parallelen Gruppen. Dabei wurden 40 Patienten, die insgesamt 53 Zahnextraktionen benötigten, einer Testgruppe und einer Kontrollgruppe zugeteilt. In der Testgruppe (22 Patienten, 31 extrahierte Zähne) erfolgte eine Behandlung der Exktraktionsalveole mit einem Knochenersatzmaterial (Straumann® XenoFlex), das zu 90 Prozent aus bovinem Knochengranulat und zu 10 Prozent aus porcinem Kollagen besteht.[1] Perioperativ erhielten die Patienten der Testgruppe eine prophylaktische Antibiotikatherapie. Das Knochenersatzmaterial wurde mit Hilfe eines Applikators direkt in die Alveole eingebracht. Anschließend wurde der Augmentationsbereich mit einer resorbierbaren porcinen Kollagenmembran (Jason® membrane) als Barrieremembran bedeckt. Der Wundverschluss erfolgte mit dem resorbierbaren Nahtmaterial Ethilon™. In der Kontrollgruppe überließ man die Extraktionsalveolen der spontanen Heilung.

Nach sechs Monaten erfolgte eine Implantatplanung auf der Grundlage einer aktuellen digitalen Volumentomographie (DVT). Je nach Knochenniveau wurden Implantate mit einem Durchmesser von 3,5 mm, 3,75 mm, 4 mm und 4,5 mm und einer Länge von 6 mm, 8 mm, 10 mm und 12 mm verwendet. Dabei galt das folgende Protokoll:

  • ≥6 mm verbleibende vertikale Knochenhöhe: Platzierung des Straumann® BLX Implantats
  • 3–5 mm verbleibende vertikale Knochenhöhe: interner Sinuslift mit gleichzeitiger Implantatinsertion
  • 0–3 mm verbleibende vertikale Knochenhöhe: externer Sinuslift mit Implantatinsertion nach weiteren vier Monaten

Alle Implantatinsertionen unter perioperativer Antibiotika-Prophylaxe verliefen komplikationslos. Die Überlebensrate der Implantate lag in der Kontrollgruppe bei 100 % und in der Testgruppe bei 96,77 %. Nach einer durchschnittlichen Einheilzeit von rund fünf Monaten erhielten alle osseointegrierten Implantate den definitiven Kronenersatz.

Aktuelle Ergebnisse und Ausblick

Die Verwendung von bovinem Knochenersatzmaterial als alveoläres Füllmaterial unmittelbar nach Zahnextraktion (Stichwort „Alveolar Ridge Preservation“, ARP) in Verbindung mit einer porcinen Kollagenmembran verringerte den Bedarf an Sinusbodenelevationen im Vergleich zur natürlichen Wundheilung nach Zahnextraktion.

In der Kontrollgruppe wurden sieben Sinusbodenelevationen (darunter ein externer Sinuslift) durchgeführt, während es in der Testgruppe vier waren. „Obwohl die Ergebnisse in der vorliegenden Studie mit p=0,168 nicht statistisch relevant sind“, merkt Prof. Dr. Dr. Schiegnitz an, „wird deutlich, dass wir durch das Verfahren der Alveolar Ridge Preservation mit bovinem Knochenersatzmaterial und einer porcinen Membran nach Zahnextraktion die Gesamt-Behandlung weniger invasiv gestalten und die Morbidität senken können.“

Obgleich Sinusaugmentationen eine effektive und erfolgreiche Behandlungsoption darstellen, um den Alveolarknochen zu erhöhen und so das Einsetzen von Implantaten im hinteren Oberkiefer zu ermöglichen [4,5], bergen die zusätzlichen Eingriffe ein Risiko für Komplikationen wie eine Perforation der Nasennebenhöhlenmembran oder eine Infektion. [6]

„Reduzierter chirurgischer Aufwand bedeutet geringere Belastung, kürzere Behandlungszeit und potenziell weniger Komplikationen für unsere Patienten“, betont der erfahrene Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurg und spricht einen weiteren Pluspunkt hinsichtlich des implantologischen Workflows an: „Das vorgestellte Verfahren vereinfacht zudem die Implantatplanung, denn ein besserer Knochenerhalt ermöglicht eine weniger aufwändige Implantation und macht den Implantaterfolg vorhersagbarer.“

Weitere Studien u.a. mit XenoFlex bei GBR & 
Untersuchungen zur Patientenzufriedenheit

Für den Fachmann bilden die aktuellen Ergebnisse eine „solide Grundlage für zukünftige Forschungen mit dem Ziel, die Anwendung von Straumann® XenoFlex zu intensivieren und den klinischen Nutzen detaillierter zu erforschen“. Derzeit untersucht das Mainzer Team den Einsatz von XenoFlex in verschiedenen klinischen Indikationen. „Wir untersuchen das klinische Outcome von XenoFlex beim Gap-Filling nach Sofortimplantation und bei der Guided Bone Regeneration (GBR)“, erläutert Prof. Schiegnitz. „In beiden Indikationen zeigen sich bisher sehr vielversprechende Ergebnisse.“

Darüber hinaus geht es in weiteren Untersuchungen um die Evaluation des Langzeit-Implantatüberlebens nach ARP mit XenoFlex. „Ziel ist es dabei, den Einfluss des biomimetischen Materials auf die Langzeit-Stabilität des periimplantären Knochens sowie auf die Langzeit-Implantat-Prognose zu untersuchen“, erklärt Prof. Schiegnitz. „Hierfür werden die Patienten prospektiv im Follow-Up engmaschig angebunden.“

Zusätzlich beschäftigt sich das Team mit dem so genannten „Patient Reported Outcome“ (PRO), einem Ansatz, bei dem Patientinnen und Patienten selbst über das Ergebnis der Behandlung zum Beispiel in Fragebögen berichten. „In unseren weiteren Untersuchungen zu XenoFlex wollen wir den Therapieerfolg, der durch Patienten selbst dokumentiert wird, weiter in den Fokus bringen.“, erläutert Prof. Schiegnitz. Hierbei stellen die gesundheitsbezogene Lebensqualität (HRQoL) und die Patientenzufriedenheit wichtige Untersuchungsparameter dar.

Fazit für die Praxis

„Die Methode, wie wir in unserer aktuell veröffentlichten Studie veranschaulichen, bietet eine vielversprechende Grundlage für eine effizientere und patientenfreundlichere Behandlung und zeigt, dass die durchgeführte ARP mit Xenoflex in der Testgruppe eine externe Sinusbodenelevation im Vergleich zur Kontrollgruppe unnötig macht“, fasst Prof. Schiegnitz zusammen. Die Veränderung der röntgenologisch gemessenen Knochenhöhe prä- und postoperativ zeigte keinen signifikanten Unterschied zwischen den beiden Gruppen. Um die Ergebnisse zu bestätigen, empfehle sich eine größere Stichprobengröße, so Prof. Schiegnitz.

„Es lässt sich festhalten, dass die Alveolar Ridge Preservation mit Knochenersatzmaterialien eine vielversprechende Therapie-Option ist, um das Knochenvolumen nach Zahnextraktion zu erhalten und zukünftige invasive Augmentationsverfahren zu reduzieren. Daher sollten Kolleginnen und Kollegen diese Methode als Teil einer strategischen Behandlungsplanung erwägen, um langfristig bessere klinische Ergebnisse zu erzielen und die Patientenmorbidität zu reduzieren. Vor allem bei Zahnextraktionen mit bereits reduziertem Knochenangebot ist aus unserer Sicht eine Alveolar Ridge Preservation eine empfehlenswerte Therapieoption, über die unsere Patienten unbedingt aufzuklären sind.“

Bildnachweis:  Alle Abbildungen Dr. Elias Jean-Jacques Khoury, Uni Mainz

References

  1. Straumann® XenoFlex Zuletzt aufgerufen: 26.11.2024

  2. Khoury EJ, Sagheb K, Al-Nawas B, König J, Schiegnitz E. Does alveolar ridge preservation reduce the need for sinus floor elevation: A comparative study to spontaneous healing. Clin Implant Dent Relat Res. 2024 Sep 26. doi: 10.1111/cid.13391. Epub ahead of print. PMID: 39327542

  3. Cha JK, Song YW, Park SH, Jung RE, Jung UW, Thoma DS. Alveolar ridge preservation in the posterior maxilla reduces vertical dimensional change: a randomized controlled clinical trial. Clin Oral Implants Res. 2019;30(6):515-523. doi:10.1111/clr.13436

  4. Al-Dajani M. Recent trends in sinus lift surgery and their clinical implications. Clin Implant Dent Relat Res. 2016;18(1):204-212. doi:10.1111/cid.12275

  5. Khoury F. Augmentation of the sinus floor with mandibular bone block and simultaneous implantation: a 6-year clinical investigation. Int J Oral Maxillofac Implants. 1999;14(4):557-564

  6. Testori T, Weinstein T, Taschieri S, Wallace SS. Risk factors in lateral window sinus elevation surgery. Periodontology 2000. 2019;81(1):91-123. doi:10.1111/prd.12286