Periimplantäre Weichgewebsvermehrung um ZrO2 -Implantate
Fünf-Jahres-Follow-up von Prof. Dr. Dr. Heinz Kniha und Priv.-Doz. Dr. Kristian Kniha
Fünf-Jahres-Follow-up von Prof. Dr. Dr. Heinz Kniha und Priv.-Doz. Dr. Kristian Kniha
Der Verlauf des Weichgewebes und das Vorhandensein respektive das Volumen der Interdentalpapille spielen eine entscheidende Rolle, wenn es um die Beurteilung des ästhetischen Erscheinungsbildes im Zuge der implantatprothetischen Rehabilitationen geht – besonders im Frontzahnbereich. In diesem Rahmen stellt sich die Frage, welchen Einfluss Implantate und Implantatmaterial auf die postoperative Entwicklung der Papillen haben.
Moderne einteilige Keramikimplantate aus hochleistungsfähigem Zirkondioxid mit besonderer mikrorauer Oberfläche haben sich als verlässliche Alternative zu Titan etabliert und stellen eindeutig eine Bereicherung des implantologischen Spektrums dar. Sie zeigen auf dem Niveau von Titanimplantaten prognostizierbare mittlere klinische Überlebensraten und ein im Vergleich mit Titan gleichwertiges ossäres Integrationsverhalten.1–6 Langzeitdaten von zehn Jahren oder mehr müssen jedoch noch erhoben werden. Wissen über zweiteilige Keramikimplantate gibt es aufgrund der Neuheit des Produkts noch wenig, erste Beobachtungen im Ein-Jahres-Follow-up lassen aber auf vielversprechende Ergebnisse hoffen.
Besonders im Frontzahnbereich könnten moderne Zirkondioxidimplantate denen aus Titan nicht zuletzt aus ästhetischen Gründen überlegen sein. Dabei spielt das Weichgewebe respektive die Interdentalpapille für eine ästhetisch gelungene Implantation eine entscheidende Rolle. Rezessionen und der Verlust der Interdentalpapille führen häufig zu Komplikationen in Form von „schwarzen Dreiecken“ zwischen den Kronen. Im Titanbereich ist nicht immer von einer Papillenvermehrung auszugehen, vielmehr beschreiben einige Studien einen minimalen Rückgang des Weichgewebes, der im Rahmen der Versorgung eingeplant werden sollte. Nach Literaturangaben sollte beim Einsatz von Titanimplantaten von einer Rezession bis zu 1 mm ausgegangen werden.7 Apse et al. beschreiben eine durchschnittliche Weichteilrezession von 1,75 mm um Titan implantate in einem Beobachtungszeitraum von neun Jahren, während Bengazi et al. von einem Rückgang von 0,5 mm innerhalb von zwei Jahren post implantationem berichten.8,9
Im deutlichen Gegensatz hierzu zeigten Zirkondioxidimplantate eine signifikante Papillenvermehrung im Interdentalraum und somit ein verbessertes ästhetisches Ergebnis.10
In dieser prospektiven Drei-Jahres-Follow-up-Studie mit dem Ziel, die Papillen-Kronen-Relation um Zirkondioxidimplantate zu untersuchen und darüber hinaus zu prüfen, inwieweit Veränderungen der Papillenhöhe und des gingivalen Biotyps miteinander korrelieren, wurden 39 Patienten mit 40 Einzelzahnimplantaten (Straumann PURE Ceramic Implantat) untersucht. Die Papillen-Kronen-Relation wurde nach drei Monaten, einem Jahr sowie nach drei Jahren beurteilt.
Des Weiteren wurden Korrelationen zwischen periimplantären Biotypen und Veränderungen der Papillenhöhe evaluiert. Dabei stellten die Autoren fest, dass der gingivale Biotyp nur sehr schwach mit der veränderten Papillenhöhe korrelierte. Die Papillen-Kronen-Relation verbesserte sich jedoch von 35,5 Prozent nach drei Monaten auf 41,7 Prozent nach drei Jahren und es kam zu einer signifikanten Zunahme der Interdentalpapille in diesem Zeitraum. Der ideale Papillen-Kronen-Anteil von circa 40 Prozent um Einzelimplantate konnte nach drei Jahren beobachtet werden.10
Das Weichgewebe zwischen den Zahnkronen der Zirkondioxidimplantate vermehrte sich also im Interdentalraum im Sinne eines „Soft Tissue Creeping“ über die Zeit signifikant – nicht im Sinne einer pathologischen Veränderung, sondern dahingehend, dass im Mittel mit Keramikimplantaten besonders ästhetische Fälle generiert werden konnten.10–16
Während Zirkondioxidimplantate ein Jahr post implantationem einen stabilen Knochenverlauf aufwiesen, war nach drei Jahren sogar eine signifikante Knochenapposition zu beobachten.13 Dabei wurden 81 Patienten mit 105 Zirkondioxidimplantaten nachuntersucht. Das Knochenniveau wurde am Datum der Implantatinsertion sowie nach drei Monaten, nach einem Jahr und nach drei Jahren gemessen. Die Überlebensrate lag bei 100 Prozent, der Implantat erfolg wurde mit 95,4 Prozent erfasst. In einer Studie von 1992 untersuchten Tarnow et al., in welchen Situationen Interdentalpapillen um natürliche Zähne vorhanden bzw. nicht vorhanden waren.17 Dabei kamen die Autoren zu dem Schluss, dass das Kriterium für das Vorhandensein einer Interdentalpapille die Länge des Abstands vom Kontaktpunkt des Zahns bis zum Kieferkamm ist. Beträgt diese 5 mm oder weniger, so ist mit einer vollen Papillenformation zu rechnen. Bei 6 mm war jedoch zu fast 50 Prozent und bei 7 mm Abstand bereits zu circa 70 Prozent eine fehlende Interdentalpapille vorhanden.17 Gegebenenfalls muss also Knochen aufgebaut werden, um die Interdentalpapille zu erhalten. Diese Ergebnisse wurden von Choquet et al. bei Titanimplantaten bestätigt.18 Kniha et al. untersuchten den Einfluss auf das Vorhandensein einer Interdentalpapille um Zirkondioxidimplantate und die Länge des Abstands vom Kontaktpunkt bis zum Kieferkamm. Dabei wurden 90 Patienten mit 122 Zirkonoxidimplantaten (PURE Ceramic Implant, Straumann) im einjährigen Follow-up untersucht.12
Die Autoren schlussfolgerten, dass für den Erhalt der Interdentalpapille der Abstand zwischen Kontaktpunkt der Kronen bis zum Knochenkontakt am Implantat oder Nachbarzahn optimalerweise 6 mm betragen sollte.
Zwischen zwei Implantaten scheint es eine noch größere Herausforderung zu sein, eine volle Papille zu generieren.19 Tarnow et al. gingen in einer weiteren Studie auf den interimplantären Abstand und seinen Einfluss auf die Höhe des Kieferknochens zwischen Titanimplantaten und damit auch auf die Papille ein. Periimplantärer Knochen kann verloren gehen, wenn der Abstand zwischen zwei Titanimplantaten kleiner als 3 mm ist.19 Aus diesem Grund sollte der interimplantäre Abstand stets größer oder gleich 3 mm sein. Dem entgegengesetzt zeigte sich bei Zirkondioxidimplantaten, dass horizontale Implantatabstände nur einen geringen Einfluss auf die Papillenhöhe nahmen und Implantate in Reihe eine niedrigere Papillen-Kronen-Relation aufwiesen.11 In der Literatur wird eine ideale Relation von circa 40 Prozent Kontaktpunkthöhe zur Kronenlänge beschrieben.20 Die korrekte Kontaktpunktpositionierung scheint eine Schlüsselrolle in der ästhetischen Implantologie zu spielen. Apikale Kontaktpunkte im Interdentalraum unterhalb von 30 Prozent, die rechteckige Kronenformen entstehen lassen, führen unter Umständen zu einem geringeren Papillendefizit, gehen jedoch auf Kosten einer reduzierten Papillen-Kronenrelation und führen damit zu extrem quadratischen Kronenformen.12 Nicht auszuschließen ist, dass dieser Ansatz ein vorteilhaftes papilläres Wachstum in den Interdentalraum um Zirkondioxidimplantate verhindert. Zu hohe Kontaktpunkte oberhalb von 50 Prozent korrelieren wiederum mit schwarzen Dreiecken.13
Dementsprechend stellt sich die Frage, worauf die Papillenvermehrung um Zirkondioxidimplantate zurückzuführen ist. Zahlreiche Aspekte wie Implantatposition, Höhe des Knochenkamms an der Implantatschulter, systemische Erkrankungen oder parodontaler Biotyp könnten eine Rolle spielen. Zirkondioxidimplantate sind biologisch gut verträglich und Studiengruppen berichteten, dass es zu einer geringeren frühen Plaqueakkumulation auf Zirkondioxid gegenüber Titanimplantaten kommt.21,22 Die geringe Plaqueaffinität von Zirkondioxid kann eine optimale Weichgewebsanlagerung begünstigten. Zudem zeigte der Vergleich klinischer, mikrobiologischer sowie immunologischer Parameter bei einer experimentell herbeigeführten periimplantären Mukositis bei Titan- und Keramikimplantaten im Vergleich zu natürlichen Zähnen ein reduziertes Mukositisrisiko um Keramikimplantate.23,24
In bisherigen Studien ist eher die Implantatposition in den Fokus gerückt worden als beispielsweise das Implantatmaterial. Um die Datenlage hinsichtlich Zirkondioxidimplantaten zu stärken und Aufschluss über den Zusammenhang von Material und periimplantärem Weichgewebe respektive Interdentalpapillen zu bekommen, sind weitere Untersuchungen wünschenswert. Aus klinischer Sicht fördern weiße Keramikimplantate die rote Ästhetik. Dies bestätigen Beobachtungen in der klinischen Routine (Abb. 1–19). Die Patientenfälle und Langzeitbilderstudien über mehrere Jahre zeigen die deutliche Vermehrung der Interdentalpapille und eine Harmonisierung des periimplantären Mukosaverlaufs.