#Ästhetik 21.03.2023

Sofortbelastung mit keramischen Implantaten

In den letzten Jahren ist ein deutlicher Trend für schnellere Versorgungen in der Implantatprothetik festzustellen. So treten klassische, konservative Belastungsprotokolle in den Hintergrund. Dies ist einerseits aus den Wünschen und Bedürfnissen der Patienten zu erklären, die schnellere Versorgungen erwarten. Anderseits zeigen auch wissenschaftliche Daten, dass Belastungsprotolle neu bewertet werden müssen. Zudem ist eine steigende Nachfrage nach keramischen Implantaten festzustellen. Um beide Erwartungen gleichermaßen zu erfüllen, bedarf es eines abgestimmten Workflows und geeigneter Implantate.

Belastungskonzepte auf dem Prüfstand

Die Belastungszeiträume werden nach gängiger Klassifikation in folgende Gruppen eingeteilt: 1. Sofortbelastung: Der Zahnersatz wird innerhalb einer Woche eingegliedert. 2. Frühbelastung: Eingliederung des Zahnersatzes im Zeitraum zwischen 1 Woche und 2 Monate nach Implantation. 3. Spätbelastung: implantatprothetische Versorgung nach 3 Monaten1.

Die Erwartungshaltung der Patienten nach schnelleren Versorgungen wird im Praxisalltag erlebt, ist aber auch durch Untersuchungen belegt. So werden Sofortversorgungen von den Patienten positiv bewertet und die empfundene Zufriedenheit der Patienten (patient-reported outcome measures [PROMS]) ist höher, als bei konventionellen Belastungsprotokollen2,3.

In zahlreichen wissenschaftlichen klinischen Studien wurde untersucht, ob der Belastungszeitpunkt der Implantate einen Einfluss auf die Implantatüberlebenszeiten hat. Systematische Übersichtsarbeiten und Metaanalysen zeigen, dass der Versorgungszeitpunkt auf die Überlebenszeit der Implantate keinen Einfluss hat4. Es muss jedoch festgehalten werden, dass die jeweiligen Studien eine hohe Heterogenität aufweisen. Co-Faktoren sind beispielsweise das Implantatmaterial, das Makrodesign und die Oberflächenbeschaffenheit der Implantate oder die prothetische Situation von der Einzelzahnversorgung bis hin zu festsitzenden Zahnersatz im zahnlosen Kiefer.

Voraussetzungen für eine Sofortbelastung

Es hat sich gezeigt, dass verschiedene Bedingungen für eine erfolgreiche Sofortbelastung erfüllt sein müssen. Die ist insbesondere eine ausreichend hohe Primärstabilität. So haben Ottoni et al. in ihren Untersuchungen einen mindestens zu erreichenden Wert von 32 NCm berechnet5. Wenn dieser Wert erreicht war, hatte der Belastungszeitpunkt keinen Einfluss mehr auf die Überlebenszeit der Implantate. Diese hohen Eindrehmoment hängen maßgeblich vom Makrodesign der Implantate ab. Das heißt damit auch, dass nicht jedes Implantatsystem gleichermaßen für eine vorhersehbare Sofortbelastung geeignet ist. So werden konische Implantate empfohlen6. Die Länge des Implantats scheint keinen Einfluss auf die Überlebenszeit zu haben7. Dagegen hat die prothetische Situation von Einzelzahnversorgungen vs. verblockten prothetischen Rekonstruktionen einen Einfluss. Einzelzahnversorgungen zeigen das höchste Risiko des Versagens8.

Keramik als Implantatmaterial

Zirkonoxid hat sich als gleichberechtigtes Material für die Herstellung von Zahnimplantaten entwickelt. Patienten bevorzugen die zahnähnliche weiße Farbe des Implantates. Insbesondere im Frontzahnbereich, kann das Durchschimmern des dunkelgrauen Titans durch einen dünnen labialen Knochen oder die Gingiva vermieden werden. Zirkon ist aufgrund seiner hohen Biokompatibilität und der geringen Plaqueaffinität ein geeigneter Werkstoff zur Herstellung von Implantaten9. Zudem werden die potentiell hypersensitiven Eigenschaften durch die Freisetzung von Titanpartikeln bei der Verwendung von Titanimplantaten diskutiert. Daraus können bei bestimmten Patientengruppen Zirkonimplantate das Material der ersten Wahl sein.

Sofortbelastungen auf keramischen Implantaten sind momentan wissenschaftlich noch deutlich weniger untersucht, als dies bei Titanimplantaten der Fall ist. Es liegen jedoch verschiedene vielversprechende 5-Jahres-Untersuchungen von einteiligen keramischen Implantaten vor, die ähnliche Resultate im Vergleich zu Titanimplantaten aufweisen10,11.

Die Herstellung der vorwiegend auf dem Markt erhältlichen keramischen Implantate erfolgt durch subtraktive Methoden. Aus Zirkonrohmaterialien werden die Geometrien der Implantate herausgefräst. Als innovatives Verfahren hat sich inzwischen der Keramikspritzguss , CIM (Ceramic Injection Molding) für Zirkonoxid etabliert. Durch die weitaus höhere sowie reproduzierbare Präzision entstehen neue Möglichkeiten in der Gestaltung des Makro- und Mikrodesigns. Der Einsatz solcher, zudem zweiteiligen Implantaten erweitert die Indikationsfelder von Implantaten aus Zirkonoxid.

Fallbeschreibung

Nach dem traumatischen Verlust des Zahnes 12 stellte sich die 45-jährige Patientin zur Versorgung mit einer implantatgetragenen Einzelzahnversorgung vor. Da der Zahn bereits entfernt war, konnte eine Sofortimplantation nicht durchgeführt werden. Dieses Vorgehen wird bei uns grundsätzlich geprüft und bei einer eindeutigen Indikationsstellung auch empfohlen. In diesem Fall wurde eine verzögerte Implantation nach 3 Monaten durchgeführt (Abb. 1). Die Patientin wünschte ausdrücklich eine Versorgung mit einem keramischen Implantat aus Zirkon.

Die dreidimensionale Auswertung der knöchernen Situation einer DVT-Aufnahme und der geplanten prothetischen Situation erfolgte in einer Impantatplanungssoftware (coDiagnostiX) (Abb. 2). Es zeigte sich, dass aufgrund der Angulation des Knochens zur Kronenachse ein einteiliges Implantatsystem nicht angewendet werden konnte. Da eine langzeitprovisorischen Sofortversorgung vorgesehen war, entschlossen wir uns zur Insertion eines zweiteiligen keramischen Implantates mit einer konischen Außengeometrie (Neodent® Ceramic Implant System) (Abb. 3). Da für das ästhetische Ergebnis die Position des Implantates entscheidend wichtig ist, wurde aus den Planungsdaten eine Bohrschablone konstruiert und gedruckt (Abb. 4).

Grundsätzlich kann bei diesem Verfahren eine Implantatbettaufbereitung nach Stanzung der Schleimhaut durchgeführt werden. In diesem Fall wurde zum Erhalt der befestigten Gingiva eine minimalinvasive Aufklappung mit Verschiebung des Gewebes nach vestibulär durchgeführt. Durch die Bohrschablone erfolgte eine Pilotbohrung (Abb. 5). Die weitere Aufbereitung des Implantatlagers erfolgte nach den Herstellerangaben. Das Implantat konnte mit einer hohen Primärstabilität (50 NCm) eingebracht werden (Abb. 6 bis 8). Direkt im Anschluss an die Implantatinsertion erfolgte die Registrierung des Implantates mit dem Intraoralscanner (Abb. 9) zur CAD/CAM-Herstellung der langzeitprovisorischen Versorgung aus einem Hochleistungskunststoff. Das Implantat wurde bis zur Eingliederung des Langzeitprovisoriums mit einem Gingivaformer verschlossen. Anschließend erfolgte die notwendige Augmentation des vestibulären Knochenanteil mit einer Mischung aus Eigenknochen und einem bovinen Knochenersatzmaterial und die Abdeckung mit einer Kollagenmembran (Abb. 10). Das postoperative Röntgenbild zeigt, dass die geplante Implantatposition umgesetzt werden konnte (Abb. 11). Die Eingliederung der langzeitprovisorischen Sofortversorgung kann insbesondere bei Sofortimplantationen innerhalb weniger Stunden erfolgen. Da die Patientin ein herausnehmbares Provisorium trug, wurde die Sofortversorgung nach einer Woche zum Zeitpunkt der Nahtentfernung eingegliedert (Abb. 12). Die endgültige prothetische Versorgung mit einer vollkeramischen Kronenversorgung ist nach 4- 6 Monaten vorgesehen.

Fazit

Patientenwünsche nach Sofortversorgungen und keramischen Implantaten lassen sich durch dazu geeignete Implantate aus Zirkonoxid umsetzen. Implantate mit einer konischen Außengeometrie und einem Gewinde, dass hohe Eindrehmomente ermöglicht stehen inzwischen zur Verfügung. Zweiteilige Implantatsysteme erlauben auch die Insertion bei Abweichungen der Implantatachse und der Kronenachse. Unter Einbindung digitaler Technologie lässt sich sowohl die Implantation vorhersagbar durchführen, wie auch ästhetische prothetische Versorgungen im CAD/CAM-Verfahren herstellen.

© Erstveröffentlichung: Spitta Verlag, DENTALE IMPLANTOLOGIE, Jg. 26 , Ausgabe 07 , November 2022 , 418 – 421

Literatur:

  1. Gallucci GO, Hamilton A, Zhou W, Buser D, Chen S. Implant placement and loading protocols in partially edentulous patients: A systematic review. Clin Oral Implants Res 2018;29 Suppl 16:106-134.
  2. Huynh-Ba G, Oates TW, Williams MAH. Immediate loading vs. early/conventional loading of immediately placed implants in partially edentulous patients from the patients' perspective: A systematic review. Clin Oral Implants Res 2018;29 Suppl 16:255-269.
  3. Feine J, Abou-Ayash S, Al Mardini M, de Santana RB, Bjelke-Holtermann T, Bornstein MM, et al. Group 3 ITI Consensus Report: Patient-reported outcome measures associated with implant dentistry. Clin Oral Implants Res 2018;29 Suppl 16:270-275.
  4. Aiquel LL, Pitta J, Antonoglou GN, Mischak I, Sailer I, Payer M. Does the timing of implant placement and loading influence biological outcomes of implant-supported multiple-unit fixed dental prosthesis-A systematic review with meta-analyses. Clin Oral Implants Res 2021;32 Suppl 21:5-27.
  5. Ottoni JM, Oliveira ZF, Mansini R, Cabral AM. Correlation between placement torque and survival of single-tooth implants. Int J Oral Maxillofac Implants 2005;20:769-776.
  6. Kim YY, Song YW, Kim MJ, Cha JK, Park JM, Kim JH, et al. Immediate loading of fixed partial prostheses reconstructed using either tapered or straight implants in the posterior area: A randomized clinical trial. Clin Implant Dent Relat Res 2021;23:703-715.
  7. Wu H, Shi Q, Huang Y, Chang P, Huo N, Jiang Y, et al. Failure Risk of Short Dental Implants Under Immediate Loading: A Meta-Analysis. J Prosthodont 2021;30:569-580. 
  8. Ghoul WE, Chidiac JJ. Prosthetic requirements for immediate implant loading: a review. J Prosthodont 2012;21:141-154.
  9. Lorenz J, Giulini N, Holscher W, Schwiertz A, Schwarz F, Sader R. Prospective controlled clinical study investigating long-term clinical parameters, patient satisfaction, and microbial contamination of zirconia implants. Clin Implant Dent Relat Res 2019;21:263-271.
  10. Balmer M, Spies BC, Kohal RJ, Hammerle CH, Vach K, Jung RE. Zirconia implants restored with single crowns or fixed dental prostheses: 5-year results of a prospective cohort investigation. Clin Oral Implants Res 2020;31:452-462.
  11. Grassi FR, Capogreco M, Consonni D, Bilardi G, Buti J, Kalemaj Z. Immediate occlusal loading of one-piece zirconia implants: five-year radiographic and clinical evaluation. Int J Oral Maxillofac Implants 2015;30:671-680.