In der Praxisklinik an der Ruhr in Mülheim hat sich die Kombination des Sofortversorgungs- und belastungskonzepts Fest-auf-4®, einer vom Autor eingetragenen Marke, insbesondere im Zusammenspiel mit dem innovativen Implantatsystem Axiom® X3 (Anthogyr, Straumann Group) bewährt, weil es eine besonders hohe Primärstabilität unabhängig von der Knochenklasse gewährleistet. Ein Praxisbeispiel wird nachfolgend vorgestellt.
Ein Trend zeichnete sich in den letzten zehn Jahren deutlich ab: In diesem Zeitraum wurden drei Mal mehr Sofortversorgungsprozeduren registriert.3 Sie gelten als sicher und liefern ähnliche klinische Langzeiterfolge wie konventionelle Implantatversorgungen4-7 – bei großem Mehrwert für den Patienten. Dank des einzeitigen, minimalinvasiven Eingriffs (ohne Knochenaufbau) inklusive Fertigung und Eingliederung provisorischer Implantatprothetik kann er innerhalb eines Tages Ästhetik, Kaufunktion und Aussprache verbessern. Zudem treten weniger Komplikationen wie Schwellungen und Schmerzen auf, wodurch sich der Nachsorgeaufwand reduziert. Diese Art der Versorgung ist darüber hinaus häufig kostengünstiger als implantatprothetische Standardverfahren.
Sofortversorgung und -belastung mit Fest-auf-4
Konzepte wie Fest-auf-4 knüpfen an umfassende Erfahrungswerte von All-on-4® [Nobel Biocare,8]: Nach Informationen des Unternehmens konnten damit bereits über 250 000 Lächeln bei zuvor zahnlosem Kiefer mit der Insertion von nur vier Implantaten (zwei anterior axial, zwei posterior anguliert) mit der Möglichkeit sofortiger Belastung wiederhergestellt werden.9 So schützt dieses Behandlungskonzept ebenso wie das Pendant Fest-auf-4, das inzwischen in der Praxisklinik an der Ruhr bis zu 30mal im Jahr zum Einsatz kommt, sensible Strukturen wie die Kieferhöhle oder Bereiche mit Nervenaustritt und nutzt das ortsständige Knochenangebot optimal. Die Positionierung der angulierten Implantate ermöglicht eine maximale Abstützung und deshalb kann meist auf größere Augmentationen verzichtet werden. Grundsätzlich gelten hier aber dieselben Indikationen und Kontraindikationen für allgemeine Implantatbehandlungen. Dabei ist das techniksensitive Verfahren Fest-auf-4 nach strenger Patientenselektion zum einen nur implantologisch erfahrenen Behandlern zu empfehlen und zusätzlich chirurgisch tätigen Kolleginnen und Kollegen mit deutlich prothetischer Ausrichtung. Denn die prothetische Planung und Umsetzung ist für den chirurgischen Eingriff und Erfolg etwa von entscheidender Bedeutung und prothetische Maßnahmen, u.a. eine Gesichtsbogenübertragung und die Bestimmung der Bisslage, sind in jedem Fall bei der Umsetzung notwendig.
Mit dem Konzept Fest-auf-4 ist Flexibilität gegeben. Vielen Patienten geht es darum, zu keiner Zeit „ohne“ oder mit nur „rein schleimhautgetragenem Zahnersatz“, wie etwa einer Vollprothese mit Gaumenbedeckung, versorgt zu sein. Nach einer Abheil- und „Einheilzeit“ von vier Monaten wird in den meisten Fällen der definitive festsitzende Zahnersatz hergestellt - eine verschraubte Brücke. Es ist dann jedoch auch eine herausnehmbare teleskopierende Brücke möglich, falls vom Patienten gewünscht. Weiterer Vorteil: Von einer festsitzenden Versorgung kann auch nach einigen Jahren noch auf eine herausnehmbare Versorgung gewechselt werden. Bei dem Verfahren Fest-auf-4 ist allerdings der erste, sofortige Zahnersatz immer festsitzend.
Verwendetes Implantatsystem muss hohe Primärstabilität besitzen
Seit 2005 wird Fest-auf-4 als Konzept für Sofortimplantation und Sofortbelastung als Standardtherapie von Dr. Dr. Hützen angewendet, heute vor allem in Kombination mit dem innovativen Implantat Axiom X3 von Anthogyr, einem französischen Implantatspezialisten, der seit 2019 zur Straumann Group gehört. Konzipiert wurde das Implantat X3, das eine Weiterentwicklung auf der Grundlage klinischer Anwendung des Axiom-Implantatsystems über fast 15 Jahre darstellt, vor allem für eine feste Verankerung in allen Knochenqualitäten mit breitem Indikationsspektrum. Vor allem die hohe Primärstabilität und das außergewöhnliche Implantatdesign mit einem „aggressiven“ Gewinde ermöglichen bei mehr Effizienz verlässliche Ergebnisse und ein verbessertes Knochenmanagement.
Das ist zum einen aufgrund der stark unterdimensionierten Implantatbettaufbereitung möglich – verglichen mit einem klassischen Bohrprotokoll kann mit dem Axiom X3-Implantat bis zu 52 Prozent mehr Knochensubstanz erhalten werden.10 Zum anderen lässt sich das Implantat mit dem scharfen Gewinde im Sinne eines Osteotoms verwenden. Zum Einbringen wird nämlich nicht das Winkelstück, sondern der Schraubendreher benutzt. Der Knochen wird bei Insertion mit dem Schraubendreher in der Achse bewegt, so wird der ortsständige Knochen gedehnt und verdichtet. So lassen sich auch Bonespreading-Eigenschaften nutzen, wenn die Insertion nicht schablonengeführt ist. In vielen Fällen kann so z.B. auf eine Anlagerungsosteoplastik und horizontale Augmentation verzichtet werden.
Kein Gewindeschneiden notwendig
Das konische Implantatdesign besitzt drei bidirektionale Schneidnuten, die auch zur Namensgebung X3 inspiriert haben. Sie reichen bis zum Apex und dienen dem leichteren Abtransport der Knochenspäne. Axiom-Implantate sind mit einem Durchmesser von 3,4 bis 6,4 mm und Längen von 6,5 bis 18 mm erhältlich, was minimale Bohrprotokolle ermöglicht und ohne Gewindeschneiden auskommt. Die Erfahrung hat gezeigt, dass die Anwendung dieser Implantate auch Erleichterungen für die prothetische Versorgung birgt. Die konische Verbindung und das Platform-Switching fördern zum einen ein sicheres Weichgewebsmanagement, zum anderen verfügen alle Implantate der Reihe über einen einheitlichen Innendurchmesser, auch wenn der Äußere sich unterscheidet. Das führt zu einer hohen Flexibilität in der prothetischen Versorgung bei niedrigem Materialaufwand: So passen alle Abformpfosten auf alle Axiom-Implantate. Außerdem gibt es auch nur eine Chirurgiekassette für alle Axiom-Implantate, was den Anwender erfahrungsgemäß freut.
Patientenselektion
In den meisten Fällen, bei denen der Autor das Konzept Fest-auf-4 einsetzt, besitzt der Patient einen nicht erhaltungswürdigen Restzahnbestand. Diese Zähne sind meist tiefzerstört und/oder stark parodontal geschädigt und müssen entfernt werden. Bei konventionellen Verfahren müsste zunächst herausnehmbarer Zahnersatz angefertigt werden. Jene Patienten haben allerdings eine große Abneigung gegen herausnehmbaren Zahnersatz. In vielen Fällen schiebt der Patient eine weitere Behandlung auf, da er eine herausnehmbare Lösung, auch nur als eine vorübergehende Lösung, ablehnt. Daher leben solche Patienten oftmals jahrelang mit einem desolaten Restzahnbestand. Bei dem Fest-auf-4 Verfahren werden die nicht erhaltungswürdigen Zähne entfernt, im gleichen Eingriff Zahnimplantate inseriert und diese sofort belastet.
Nur in wenigen Fällen wurde das Konzept Fest-auf-4 bei zahnlosen Patienten angewandt. Jene Patienten kennen und tolerieren herausnehmbaren Zahnersatz. In diesen Fällen müssen die Implantate nicht unbedingt sofort versorgt werden.
Patientenfall
Ein 61-jähriger männlicher Patient mit sehr schlechtem Zahnstatus und dem Wunsch nach einer festsitzenden prothetischen Versorgung mit kurzer Behandlungsdauer zu moderaten Kosten wurde in der Praxisklinik an der Ruhr vorstellig. Die klinische Untersuchung und (3D-)Röntgenaufnahmen (OPG, DVT) belegten, dass sämtliche Zähne im Oberkiefer nicht mehr erhaltungswürdig waren und extrahiert werden mussten (Abb. 1a-c), im Unterkiefer war die Extraktion von zwei Zähnen erforderlich.