Der Wunsch nach schnelleren Versorgungen nach einem Zahnverlust steigt bei unseren Patienten. Die Möglichkeiten der Sofortversorgung und Sofortbelastung sind daher in den vergangenen Jahren zunehmend in den Fokus der klinischen Anwendung und Forschung gerückt. Zahlreiche klinische Studien beschäftigen sich mit dem möglichen Zusammenhang zwischen den chirurgischen und prothetischen Versorgungsprotokollen und den Langzeitergebnissen der Implantate und deren prothetischer Versorgung.1–3 Die Insertionszeitpunkte eines dentalen Implantats wurden wie folgt definiert:
Typ 1: Implantatinsertion unmittelbar nach Zahnextraktion als Teil des chirurgischen Eingriffs
Typ 2: Komplette Weichgewebsdeckung der Alveole (vier bis acht Wochen nach Zahnextraktion)
Typ 3: Fortgeschrittene klinische und/oder radiografische Regeneration und Knochenheilung der Alveole (12 bis 16 Wochen nach Zahnextraktion)
Typ 4: Abgeheiltes Implantatbett (mindestens sechs Monate nach Zahnextraktion)
Nach der Implantatinsertion erfolgt je nach klinischer Situation die Versorgung mit Zahnersatz in einem definierten Abstand. Die Belastungsprotokolle werden in drei Zeitpunkte nach der Implantation eingeteilt:4
- Sofortbelastung: Versorgung innerhalb einer Woche
- Frühe Belastung: Versorgung zwischen einer Woche und zwei Monaten
- Konventionelle Belastung: Versorgung nach einer Einheilzeit von mindestens zwei Monaten
„Die Entscheidung, wann eine Implantatinsertion nach der Zahnextraktion erfolgt, ist abhängig von den Eigenschaften des Hart- und Weichgewebes der Extraktionswunde.“
Vorteile und Indikation
Die Entscheidung, wann eine Implantatinsertion nach der Zahnextraktion erfolgt, ist abhängig von den Eigenschaften des Hart- und Weichgewebes der Extraktionswunde.5 Vorteile einer Sofortimplantation sind eine reduzierte Anzahl an chirurgischen Eingriffen und eine reduzierte Gesamt- behandlungszeit.5 So kann dem Patientenwunsch nach einem möglichst schnellen und wenig invasiven Konzept entsprochen werden. Ein weiterer Vorteil der Sofortimplantation ist eine optimale Verfügbarkeit des vorhandenen Knochens und die Insertion des Implantats als Maßnahme der Alveolar Ridge Preservation (ARP).
Die klassische Technik der ARP mit einem Knochenersatzmaterial soll der physiologischen Dimensionsänderung des Knochens, die einer Zahnextraktion folgt, entgegenwirken.6 Es gibt aktuell jedoch keine Technik, die als eindeutiger Goldstandard zu bewerten ist. Die Kombination von Sofortimplantation und einem begleitenden Knochenaufbau wirkt sich im Vergleich zur alleinigen Sofortimplantation positiv auf die Hart- und Weichgewebe aus.7 Knochenaufbauten, die den Spaltraum zwischen Implantatkörper und Alveolen- wand füllen, unterstützen den Volumenerhalt des Alveolarkamms im Vergleich zur nicht unterstützten Knochenheilung.8 Zudem ermöglicht eine Sofortimplantation, sofern die vorhersagbare und notwendige Primärstabilität für eine Sofortbelastung erreicht wurde, das unmittelbare Einsetzen eines Provisoriums. Alternative Interimsprothesen zum Lückenersatz werden dadurch hinfällig. Die Sofortimplantation hat sich in der Implantattherapie bewährt und ist besonders für erfahrene Chirurgen von großer Bedeutung.
Risiken und Kontraindikationen
Die Morphologie des Implantatbetts bei der Sofortimplantation muss genau betrachtet werden. Bei der Fallplanung ist es ausschlaggebend, dass einerseits eine optimale Implantatposition erreicht werden kann und anderseits eine hohe primäre Stabilität erreicht wird. Dies setzt voraus, dass ausreichend Knochen apikal des zu entfernenden Zahns vorhanden ist. Ein Mangel an bukkalem Knochen und/oder keratinisierter Schleimhaut machen begleitende chirurgische Maßnahmen notwendig.5 Diese regenerativen Maß- nahmen sind techniksensibel und sollten nur von klinisch entsprechend erfahrenen Chirurgen eingesetzt werden. Ein weiterer Nachteil ist, dass ein nicht vorhersehbarer Knochenumbau das Ergebnis gegebenenfalls kompromittiert.9 Bei einer dünnen bukkalen Knochenlamelle (< 1 mm) oder einem dünnen Gingiva-Biotyp ist mit Rezessionen zu rech nen.9 Untersuchungen zeigen, dass Sofortimplantationen im allgemeinen zufriedenstellende ästhetische Ergebnisse bringen. Im Vergleich zu verzögerten Implantationen zeigen Sofortimplantationen jedoch das Risiko von fazialen Rezessionen.9–11 Dies ist als wichtiger Hinweis bei der Fallselektion zu bewerten, da der Anteil an vorhandenem bukkalem Knochen einen bedeutenden prognostischen Faktor für eine Sofortimplantation darstellt.6
Anforderungen
Die Sofortimplantation kombiniert mit der Sofortbelastung ist ein komplexer chirurgischer und prothetischer Eingriff. Daher sollte dieser nur von klinisch erfahrenen Zahnärzten durchgeführt werden. Eine strenge Fallselektion ist zwingend notwendig. Dazu gehören: neben intakten Alveolen wänden, eine faziale Knochenwand mit mindestens 1 mm Stärke, eine ausreichend dicke Mukosa, die Verfügbarkeit apikalen Knochens, um eine entsprechende Primärstabilität zu gewährleisten und auch Patientencompliance.12
Die Primärstabilität mit einem Eindrehmoment von über 35 Ncm ist der Schlüsselfaktor bei der Betrachtung von erfolgreichen Insertions- und Belastungsprotokollen.13 Für eine Sofortimplantation ist daher ein konisches Implantatdesign vorteilhaft. Die Gestaltung des Makrodesigns von Implantaten, hier besonders die Gewindegeometrie, ist entscheidend für die Primärstabiltät.14
Belastungsprotokolle
Benic et al. zeigten in einem systematischen Review, dass die Sofortbelastung und konventionelle Belastung von Einzelkronen gleichermaßen erfolgreiche Belastungsprotokolle, bezogen auf die Überlebensrate und den marginalen Knochenverlust, darstellen.15 Dies galt jedoch nur für Studien, die entsprechende Eindrehmomente von 20 bis 45 Ncm erreichten und deren Implantate keine simultane Augmentation benötigten. Zahlreiche weitere Studien zur Untersuchung von den unterschiedlichen Belastungsprotokollen (sofort, früh, spät) zeigten ebenfalls keine signifikanten Unterschiede der Überlebensraten.13, 16
In einem systematischen Review von Gallucci et al. wurden Studien anhand der zu Beginn genannten Kriterien eingeteilt und anschließend eine systematische Analyse vorgenommen, die den gesamten Implantatprothetik-Komplex berücksichtigt. Überlebensraten der Gruppe Typ 1A (Sofortimplantation und Sofortbelastung) lagen mit einer mittleren Beobachtungsdauer von 29 Monaten bei 98,4 Prozent.4 Überlebensraten der Gruppe Typ 1 C (Sofortimplantation und konventionelle Belastung) lagen bei 96 Prozent mit einer mittleren Beobachtungsdauer von 39 Monaten.4 Das Belastungsprotokoll bei der Sofortimplantation scheint daher einen geringen Einfluss auf das Behandlungsergebnis zu haben.4 Dies gilt jedoch nur, wenn bei der Sofortimplantation mit Sofortversorgung eine strenge Patientenselektion stattfindet. Aus der Studienlage ist erkennbar, dass sowohl Sofortversorgungen von Einzelzahnsituationen als auch Restaurationen im teilbezahnten Kiefer ein höheres Risiko für Implantatverlust aufweisen als sofortversorgte zahnlose Kiefer.17 Als Erklärung wird vermutet, dass sich eine Verblockung mehrerer Implantate bei komplexen Sofortversorgungen von zahnlosen Kiefern positiv auf die Einheilphase während der ersten Wochen auswirken könnte. Bei allen anderen Insertionszeiten (früh, verzögert und spät) scheint das Belastungsprotokoll keinen Einfluss auf die Erfolgsraten zu haben.4
Klinisches Vorgehen und Fallbeispiele
Fall 1: Sofortversorgung
Ein 64-jähriger Patient stellt sich nach der Spontanfraktur des Zahns 12 bei uns vor (Abb. 1). Eine endontische Behandlung und der Versuch der Wiederherstellung mit einer stiftverankerten Krone wurden vom Patienten genauso abgelehnt, wie eine Brückenversorgung. Sein Wunsch war eine Implantatversorgung mit möglichst wenigen Terminen.