Stapelbare Schablonen für eine starke Implantologie
Prothetikorientierte 3D-Implantatplanung mit stapelbaren Knochenreduktions- und Bohrschablonen
Co-Autor: Dr. Tony Sorowka, Fachzahnarzt für Oralchirurgie, Quedlinburg
Prothetikorientierte 3D-Implantatplanung mit stapelbaren Knochenreduktions- und Bohrschablonen
Co-Autor: Dr. Tony Sorowka, Fachzahnarzt für Oralchirurgie, Quedlinburg
Mit nachfolgendem Fallbeispiel einer komplexen Full Arch-Versorgung im Unterkiefer mit reduzierter Alveolarknochenkammbreite veranschaulicht Zahntechnikermeister Sebastian Schuldes, MSc, die prothetisch ausgerichtete 3D-Implantatplanung mit coDiagnostiX®. Dazu führt er die Vorteile einer besonderen Herangehensweise mit stapelbaren Schablonen für den vollnavigierten chirurgischen Ansatz aus. Hierbei umfasste die Planung eine Markierungsschablone, die sich zunächst auf die vorhandenen Restzähne abstützte, um die Bohrung für drei Fixierungspins vorzunehmen. Mit der zweiten Schablone erfolgte intraoperativ der geführte Abtrag krestalen Knochens. Schließlich konnte nach Fixierung der Full Guided Bohrschablone mit PEEK-Führungshülsen die sichere Insertion der vier geplanten Straumann BLX-Implantate durchgeführt werden.
Indizes: Digitale Planung, backward planning, guided surgery, Stapelschablonen, Chirurgische Schablone mit Resektionsprofil, Knochenreduktionsschablone, Bohrschablone, 3D-gestützte Implantologie, Sofortimplantation, Sofortversorgung, Pro Arch, Smile in a Box
Für eine vorhersagbar sichere und ästhetische implantatprothetische Versorgung hat sich die exakte prothetisch ausgerichtete dreidimensionale Planung mit einer leistungsstarken Software wie coDiagnostiX® bewährt. Dabei ebnet ein gutes Zusammenspiel zwischen Praxis und Dentallabor den Weg zu einer ästhetischen und funktionellen Sofortversorgung, besonders in komplexen Situationen, und gilt als entscheidender Faktor für ein erfolgreiches implantatprothetisches Gesamtergebnis1.
Eine 57-jährige Patientin ohne anamnestische Auffälligkeiten wurde vom Hauszahnarzt zur Implantatberatung in die Praxis für Oralchirurgie & Implantologie Dr. Tony Sorowka, Quedlinburg, überwiesen. Der klinische Befund ergab im Oberkiefer eine suffiziente Kronen- und Brückenversorgung. Im Unterkiefer trug die Patientin eine auf den Restzähnen 38, 34, 33, 32, 31, 41 und 48 abgestützte insuffizient gewordene Teleskopprothese. Es wurde Karies am Restaurationsrand der Primärteleskope an der Unterkieferfront festgestellt. Darüber hinaus wiesen die Unterkieferfrontzähne Lockerungsgrad II auf. Hinzu kam, dass die vertikale Kieferrelation durch Abrasion der Unterkieferprothese reduziert war. Im DVT-Befund zeigte sich eine ausgedehnte apikale Aufhellung im Sinne einer radikulären Zyste an Zahn 41. Außerdem war eine fortgeschrittene laterale Kieferkammatrophie in Regio 034-037 sowie 044-047 zu erkennen (Abb. 1-4). Die Zähne 38, 34, 33,32, 31, 41 und 48 waren infolge von Karies und Parodontitis nicht erhaltungswürdig. Zum kariös und parodontal zerstörten Restgebiss kam diagnostisch die deutlich reduzierte Alveolarkammbreite in Kombination mit einer reduzierten apikalen Basis hinzu (Abbildung 5).
Die Patientin wünschte eine festsitzende therapeutische Versorgung im Unterkiefer bereits am Tag der Zahnextraktion. Nach ausführlicher Beratung und Aufklärung wurde eine implantatprothetische Sofortrehabilitation unter Einsatz eines Langzeitprovisoriums vereinbart. Die Entscheidung fiel auf das Pro Arch-Konzept im digitalen Workflow mit vier BLX-Implantaten (Straumann BLX SLActive Roxolid RB 3.5mm x 12mm Implantate). Diese Lösung ermöglicht die vorhersagbare und sichere Sofortversorgung zahnloser Kiefer mit festsitzenden bedingt abnehmbaren Implantatbrücken auf vier bis sechs Implantaten im Sinne von „Feste Zähne an einem Tag“2. Unter optimaler Ausnutzung des vorhandenen ortsständigen Kieferknochens werden die Implantate eingebracht und können bei ausreichender Primärstabilität sofort belastet werden3-9.
Dabei kann die Belastung für den Patienten zum einen durch den Eingriff zum anderen durch den geringeren Zeitaufwand reduziert werden10,11. Die digitale Behandlungsplanung erfolgte mit coDiagnostiX® (Abb. 6-10) Die Sofortbrücke soll im weiteren Verlauf durch eine Zirkonoxid-Stegversorgung als definitive Implantatprothetik ausgetauscht werden.
Die Planung und Umsetzung der implantatprothetischen Rehabilitation im digitalen Workflow erfolgte im weiteren Verlauf mit Zahntechnikermeister Sebastian Schuldes, MSc, Dentallabor Schuldes GmbH, Eisenach. Mit dem digitalen Komplettservice Smile in a Box® wurde ein Workflow für eine schablonengeführte chirurgische Umsetzung gewählt, der die Behandlungsplanung vereinfacht und einen effizienten Zeit- und Kostenaufwand ermöglicht. Das Dentallabor Schuldes zählt zu einem von acht offiziellen Planungspartnern deutschlandweit, die den digitalen modularen Planungs- und Fertigungsservice Smile in a Box® anbieten. Alle Planungspartner verfügen über langjährige Erfahrung in der Implantatplanung und der Arbeit mit dem validierten digitalen Workflow. Dort erfolgt die digitale Vorplanung der Implantatposition und der prothetischen Versorgung mit der Planungssoftware coDiagnostiX, und ein cloudbasierter Austausch von Daten (caseXchange ™) erleichtert die Zusammenarbeit im Team.
Grundsätzlich wird die Vorplanung in Abstimmung mit der behandelnden Zahnärztin oder dem Zahnarzt von diesen freigegeben, und die Produktion erfolgt erst nach der Freigabe durch den Behandler. Dann können Bohrschablone und Modell hergestellt werden. Das prothetische Design des Provisoriums und der finalen Versorgung übernimmt das Planungspartner-Labor und bestellt bei der Straumann Group die gewünschten Implantate sowie die implantatprothetischen Materialien. Am Tag der Implantation steht alles in einer Box parat.
Im vorliegenden Fall wurde der computergestützte Planungsvorschlag auf der Grundlage des Modells mit Scanschablone sowie des DVT-Datensatzes, den die Praxis Dr. Sorowka bereitgestellt hatte, unter bestmöglicher Ausnutzung der anatomischen Gegebenheiten in coDiagnostiX® erarbeitet. Die Implantatplanung wurde in einer TeamViewer-Konferenz ausgewertet und in Bezug auf die Position der Implantate sowie hinsichtlich der erforderlichen Knochenreduktion finalisiert. Das navigierte Vorgehen (Guided Surgery) gibt dem Chirurgen Sicherheit und gewährleistet eine optimale Implantatposition unter Berücksichtigung der anatomischen Gegebenheiten sowie der prothetischen Planung.
Stapelschablonen – Herausforderung und Idee
Im Planungsgespräch wurde eine Herangehensweise mit drei chirurgischen Schablonen für die Implantation besprochen. Die Herausforderung im vorliegenden Fall bestand darin, auch nach der Extraktion der Restzähne im Unterkiefer die Bohrschablone sicher positionieren zu können. Daher wurde die Idee favorisiert, stapelbare Schablonen anzufertigen und dabei eine erste noch zahngetragene Schablone einzuplanen (Markierungsschablone). Der Vorteil dabei war, dass sie sich auf den zu extrahierenden Zähnen abstützen sollte, um auf diese Weise sicher positioniert werden zu können, um die Bohrungen für Fixierungspins durchzuführen (Abb. 7).
Danach sollte sie aus dem Mund entnommen werden und die chirurgische Aufklappung sowie die Zahnextraktion sollte durchgeführt werden. Mithilfe der Fixierungspins konnte gewährleistet werden, dass die zweite chirurgische Schablone mit Resektionsprofil (Knochenreduktionsschablone) exakt positioniert würde (Abb. 8,9). Dabei konnte in der Planungssoftware coDiagnostiX® das Schnittprofil festgelegt werden, um ein Plateau mit der gewünschten Kieferkammbreite zu erhalten. Nach dem Abtrag des Knochens bis auf das Niveau des vorgegebenen Schablonenprofils sollte schließlich die Full Guided Bohrschablone mit PEEK-Führungshülsen auf die Knochenreduktionsschablone aufgesetzt werden (Klickmechanismus) und die Implantatinsertion konnte sicher erfolgen (Abb. 10).
Chirurgisches Verfahren
Der chirurgische Eingriff erfolgte in Intubationsnarkose. Nach marginaler Schnittführung und Bildung eines Mukoperiostlappens ist die Markierungsschablone, die sich auf den vorhandenen Restzähnen abgestützt hat, eingesetzt worden. Dann wurde die Bohrung für die Fixierungspins zur späteren Fixierung der Bohrschablone vorgenommen (Abb. 11). Die Zähne 34 bis 41 wurden unter Erhalt der vestibulären Knochenlamellen schonend extrahiert und partikulierter Knochen mittels Safescraper gewonnen (Abb. 12).
Sebastian Schuldes „Bei solchen komplexen Fällen ist die enge Zusammenarbeit zwischen Chirurgen und Zahntechniker sehr wichtig. Meine Beobachtungen während der Operationen fließen in meine zahntechnische Arbeit ein. So kann ich die Erfahrungen nutzen, um Arbeitsabläufe und Planungen im Sinne der Patienten stetig zu optimieren.“
Anschließend wurde die Knochenreduktionsschablone eingesetzt, mit den zuvor vorbereiteten Pins fixiert und krestaler Knochen entsprechend dem vorgegebenen Resektionsprofil abgetragen (Abb. 13). Als nächstes konnte die Full Guided Bohrschablone mit PEEK-Führungshülsen auf die Knochenreduktionsschablone gesetzt und die Implantatbohrungen für vier Straumann BLX SLActive Roxolid RB 3.5mm x 12mm Implantate entsprechend dem Straumann Bohrprotokoll durchgeführt werden (Abb.14 - 21).
Zusätzlich erfolgte eine laterale Augmentation bei dünner vestibulärer Knochenschicht in Regio 41-44 unter Anwendung des Eingangs gewonnenen Knochens und einem xenogenem Knochenersatzmaterial. Das Augmentat wurde mit einer porcinen Kollagenmembran abgedeckt und basal mit zwei Titan-Pins fixiert. Für die mehrschichtige Naht wurde resorbierbares monofiles Nahtmaterial verwendet. Schließlich wurde die provisorische Sofortbrücke angepasst und fixiert. Die Wundheilung verlief klinisch weitgehend unauffällig und ohne postoperative Schmerzen mit einer typischen postoperativen Schwellung. Die Nahtentfernung erfolgte zehn Tage postoperativ.
Das Besondere im vorliegenden Fall war die Herangehensweise mit drei chirurgischen Schablonen, um die Herausforderung der sicheren Implantatpositionierung im zahnlosen Kiefer zu gewährleisten. Im gemeinsamen Planungsgespräch konnten Behandler und Zahntechniker die Idee einer dritten Schablone aufgreifen und in die Planung integrieren. So wurden in coDiagnostiX eine (zahngestützte) Markierungsschablone, mit der die Bohrungen der Fixierungspins erfolgen konnte, eine Nivellierungsschiene zum geführten Abtrag des Kieferkamms sowie die eigentliche Implantatbohrschablone angefertigt und am Tag des chirurgischen Eingriffs im Sinne des Smile in a Box®-Konzeptes zusammen mit den benötigten Implantaten, Screw-Retained-Abutments (SRA) sowie der Sofortversorgung, bereitgestellt.
Dabei hat sich erneut gezeigt, dass eine enge Zusammenarbeit im Team ein wichtiges Erfolgskriterium für eine passgenaue implantatprothetische Rehabilitation ist. Besonders in komplexen Fällen zahlt sich ein gutes Zusammenspiel zwischen Praxis und Dentallabor aus, denn die auf langjährige Erfahrungen beruhenden Ideen der Beteiligten können entscheidende Abläufe bereits in der Planungsphase berücksichtigen und die implantatprothetische Therapie entscheidend erleichtern. Dabei kann es hilfreich sein, wenn die Zahntechnikerin oder der Zahntechniker einem komplexen chirurgischen Eingriff beiwohnt. Eigene Beobachtungen während des chirurgischen Eingriffs verdeutlichen manche herausfordernde klinische Situation, die auf dem Modell oder am Bildschirm leicht zu handhaben wirkt. So können die klinischen Informationen genutzt werden, um zahntechnische Abläufe und 3D-Planungen im Sinne der Patienten stetig zu optimieren.
Bildnachweis
Abb. 1-4, 20, 21: Praxis Dr. T. Sorowka, Quedlinburg
Abb. 5-19: Dentallabor S. Schuldes, Eisenach