Straumann® Emdogain®

„Biologika werden in der täglichen Praxis immer mehr zur Routine“

Ein Interview mit Richard J. Miron.

Nach seinem jüngsten Review im Journal of Clinical Periodontology über zwanzig Jahre Schmelzmatrixderivat gewährt uns Dr. Richard J. Miron in einem Interview Einblicke in die Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft von Emdogain® und von Biologika in der Zahnmedizin. 

Über Richard Miron

Dr. Richard Miron  
BMSC, MSc, PhD, DDS

Abteilung für Parodontologie, Nova Southeastern University, Fort Lauderdale, Florida, USA

Dr. Richard Miron hat einen ersten Studienabschluss in Medizinwissenschaft und einen Masterabschluss in Zellbiologie von der University of Western Ontario in Kanada, einen PhD in Molekular- und Zellbiologie von der Universität Bern, Schweiz, und einen Abschluss als Doctor of Dental Surgery von der Universität Laval, Kanada. 2015, als er Leiter des Labors für orale Zellbiologie der Universität Bern war, promovierte er gleichzeitig zum „Dr. med. dent.“. Zuvor hat er 2011, 2012 und 2014 mehrere kurze Post-Doc-Forschungsaufenthalte an der Universität Wuhan in China absolviert und seitdem als externer Gastwissenschaftler zahlreiche Master- und PhD-Kandidaten mitbetreut. Er ist Autor und Co-Autor von über 100 von Fachkollegen überprüften wissenschaftlichen Veröffentlichungen, die überwiegend mit seinen Forschungsschwerpunkten in Zusammenhang stehen, darunter Schmelzmatrixproteine für die Knochen- und parodontale Regeneration, bioaktive Wachstumsfaktoren, osteoinduktive Knochenersatzmaterialien und gesteuerte Knochenregeneration (GBR) in der dentalen Implantologie. In letzter Zeit hat er viele international anerkannte, hochrangige Auszeichnungen für Nachwuchsforscher erhalten, so zum Beispiel den André-Schroeder-Forschungspreis des International Team for Implantology (ITI) (2016), den Robert Frank Award (2015), die Auszeichnung Young Investigator of the Year der International Association of Dental Research (IADR) auf dem Gebiet der dentalen Implantologie (2015), den kanadischen IADR Hatton Award (2015) und den Young Investigator Grant Award der American Academy of Implant Dentistry (2014).

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Vor Kurzem haben Sie einen Review1 zum Thema „Zwanzig Jahre Schmelzmatrixderivat: Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft“ geschrieben. Können Sie uns etwas über sich erzählen und uns sagen, wie es dazu kam, dass Sie einen Review zu diesem Thema veröffentlicht haben?

Anfang 2017 habe ich angefangen, an einem vom ITI finanzierten Projekt an der University of Western Ontario (Labor von Douglas Hamilton in London, Kanada) zu arbeiten. Zweck des Projekts war es, die Rolle der Adsorption von Schmelzmatrixproteinen auf verschiedenen Titanimplantatoberflächen, einschliesslich glatter, SLA- und SLActive-Oberflächen, zu untersuchen. Im Gegensatz zu vielen Behandlern, die das handelsübliche Emdogain-Gel für die Patientenbehandlung verwenden, kam ich in dieser In-vitro-Studie zum ersten Mal mit Schmelzmatrixderivat (Enamel Matrix Derivative, EMD) in Kontakt. Im Anschluss daran bot mir die kanadische Regierung die grossartige Möglichkeit, an einer Universität meiner Wahl einen PhD zu erwerben. Natürlich wollte ich mich an einige der besten akademischen Forscher halten, die auf dem Gebiet der Implantatoberflächen mit EMD arbeiten. Anton Sculean war einer der wichtigsten klinischen Forscher auf dem Gebiet und vor Kurzem Direktor der Klinik für Parodontologie an der Universität Bern in der Schweiz geworden. Daher entschied ich mich 2009, in die Schweiz zu gehen, um Teil seines Teams zu sein. Im Laufe der Jahre haben wir zusammen mit Dieter Bosshardt über 20 wissenschaftliche Artikel veröffentlicht und arbeiten bei diesem Thema auch weiterhin eng zusammen. Seit März 2016 bin ich wieder in Nordamerika und arbeite an der Abteilung für Parodontologie der Nova Southeastern University in Fort Lauderdale, Florida. Einer der Forschungsschwerpunkte in meinem Labor bleibt EMD.

2015 kam bei der EuroPerio eine Expertengruppe zusammen, um über die nunmehr 20 Jahre Forschung mit Emdogain zu diskutieren. Als Teilnehmer an der Zeremonie und den Gesprächen hatte ich das Glück, gefragt zu werden, einen zusammenfassenden Übersichtsartikel zu dem Thema zu schreiben, der die letzten 20 Jahre Forschung zu EMD mit unserer Gruppe in Bern erfasst. Natürlich sollten wir alle führenden Forscher berücksichtigen, die in den letzten 20 Jahren zum Gebiet der Schmelzmatrixproteine1 beigetragen haben. Glücklicherweise konnten wir die Arbeit vor wenigen Monaten im Journal of Clinical Periodontology veröffentlichen. Von unseren Mitarbeitern und Kollegen auf der ganzen Welt wurde sie hervorragend aufgenommen.

Welche Rolle spielt Emdogain® auf dem Gebiet der parodontalen Regeneration?

Um diese Frage zu beantworten, ist es erst einmal wichtig zu verstehen, wie Schmelzmatrixproteine in einer frühen Phase der Embryogenese natürlich auf der Wurzeloberfläche abgelagert werden. Vor über 20 Jahren fand ein Forscherteam in Schweden, zu dem Lars Hammarström, Sven Lindskog und Leif Blomloff gehörten, bei der Untersuchung der Wurzelbildung heraus, dass Schmelzmatrixproteine als zur parodontalen Regeneration fähige biologische Arbeitsstoffe verwendet werden könnten. Diese Berichte stammten jedoch aus früheren Studien, die etwa 15 Jahre vorher von Lindskog et al. und Slavkin et al. durchgeführt worden waren. Sie berichteten, dass bestimmte Schmelzmatrixproteine (die bis dahin als schmelzspezifische Proteine betrachtet worden waren) vor der Zementbildung auf der Oberfläche sich entwickelnder Zahnwurzeln abgelagert werden, und stellten zu ihrer möglichen Rolle bei der Zementogenese Hypothesen auf. Die Rolle von Emdogain besteht daher darin, die natürliche Bildung der Wurzeloberfläche nachzuahmen. Schmelzmatrixproteine (die hauptsächlich aus Amelogeninproteinen bestehen) sind wichtig für die Ausbildung eines funktionellen Parodontalligaments, das über Sharpey-Fasern mit dem Bündelknochen der Alveole und dem während der Embryogenese neu gebildeten Wurzelzement verbunden ist. Die Verwendung von Emdogain wurde für Fälle, bei denen klinisch ein Attachmentverlust beobachtet wurde, zur Nachahmung dieses natürlichen Vorgangs formuliert. Aus diesem Grund und dank seiner ausgezeichneten Dokumentation kann Emdogain als eines der einzigen regenerativen Modalitäten verwendet werden, die eine echte Regeneration des Parodontiums bewirken, da sie einen durch histologische Ergebnisse beim Menschen gestützten Regenerationsprozess einleiten. Heute wurden mit Emdogain eine Reihe klinischer Indikationen durchgeführt, insbesondere Regeneration intraossärer Defekte mit/ohne Knochentransplantate, Rezessionsdeckung, Regeneration von Furkationsdefekten der Klasse II und Weichgewebeheilung.


„Es liegen Daten für die Verwendung von Emdogain allein zur Behandlung stark kompromittierter Fälle vor, bei denen anfangs fragwürdige Zähne über 20 Jahre lang nach der Therapie mit Emdogain in stabilen Situationen erhalten wurden.“


 

Wie steht die regenerative Parodontaltherapie mit Emdogain® im Vergleich zu alternativen Behandlungsmöglichkeiten da?

Die Heilung verschiedener Arten von mit Emdogain oder gesteuerter Geweberegeneration (GTR) behandelten Parodontaldefekten stand Anfang der 2000er Jahre im Mittelpunkt vieler Forschungsarbeiten. In einer Vielzahl von Studien wurde berichtet, dass die Anwendung von Emdogain im Vergleich zu Kontrollen (d. h. Lappenoperation allein) zu deutlich mehr neu gebildetem Wurzelzement, Parodontalligament und Knochenneubildung führt. Zudem zeigten die wichtigsten Erkenntnisse aus diesen Studien, dass die Menge und die Qualität der neu gebildeten Parodontalgewebe bei Emdogain und GTR vergleichbar waren, wodurch die Notwendigkeit für GTR-Membranen in solchen Fällen entfällt. Wenn ein Behandler heute vor der Wahl steht, umschlossene intraossäre Defekte entweder mit Emdogain oder mit GTR zu regenerieren, ist mit Emdogain nicht nur das Verfahren einfacher und schneller, sondern den Ergebnissen zufolge treten mit Emdogain auch weniger Schwierigkeiten auf. Dies ist vor allem auf Komplikationen zurückzuführen, die die Folge einer Exposition der Barrieremembran bei einer GTR sind.

Wann sollte man bei einer regenerativen Parodontaltherapie Emdogain® verwenden und wann sollte man Emdogain® in Verbindung mit einem Knochentransplantat verwenden?

Obwohl zahlreiche klinische Studien erhebliche klinische und röntgenologische Verbesserungen nach der Anwendung von Emdogain allein belegt haben, wurden Bedenken im Hinblick auf die visköse Natur von Emdogain geäussert, die möglicherweise nicht ausreicht, um ein Einfallen des Lappens zu verhindern und genügend Raum für die parodontale Regeneration zu erhalten. Um diese potenzielle Einschränkung zu überwinden und die klinischen Ergebnisse zu verbessern, wurden diverse Kombinationen von Emdogain mit Barrieremembranen und/oder Transplantatmaterialien getestet. Neueste systematische Übersichtsarbeiten und Meta-Analysen fanden heraus, dass die Kombination von Knochenersatzmaterial und Emdogain zu statistisch signifikanten, besseren Ergebnissen führte. Wenn ich daher davon ausgehe, dass Emdogain-Gel allein nicht ausreichen wird, um ein Einfallen des Lappens zu verhindern, verwende ich eine Kombination mit Knochenersatzmaterial.


„Es wurde gezeigt, dass Emdogain die Weichgewebeheilung verbessert, da es auf Zell- und Molekülebene wirkt, zum Beispiel weil es eine Reihe von Entzündungsmarkern deutlich reduziert.“


 

Können Sie uns mehr über die Indikation von Emdogain® zur Weichgewebeheilung sagen?

Es wurde gezeigt, dass Emdogain die Weichgewebeheilung verbessert, da es auf Zell- und Molekülebene wirkt, zum Beispiel weil es eine Reihe von Entzündungsmarkern, einschliesslich Interleukin-1b und RANKL, deutlich reduziert, die Expression von Prostaglandin E2 und OPG verstärkt, die Proliferation und Migration von T-Lymphozyten verstärkt, die Monozyten-Differenzierung induziert, die Clearance von Bakterien und Geweberesten erhöht sowie die Fibroplasie und Angiogenese verstärkt, da es die Proliferation, Migration und kapillarähnliche Sprossung von Endothelzellen induziert. Des Weiteren gehen aus klinischen Studien Verbesserungen des Schmerzniveaus und eine Verstärkung der Angiogenese hervor. Dies alles unterstützt die Verwendung von Emdogain bei der Wundheilung. Erwähnenswert ist, dass Schmelzmatrixproteine unter dem Markennamen Xelma für die Regenerationsbehandlung komplizierter Fussulzera bei Diabetespatienten untersucht wurden, was ihre Rolle bei der Wundheilung weiter belegt.


„Bis zum heutigen Tag bleibt Schmelzmatrixderivat ein Goldstandard für die Regeneration von Parodontaldefekten. Forscher aus der ganzen Welt haben diese Erkenntnisse bestätigt.“


 

Zwanzig Jahre nach seiner Markteinführung ist Emdogain® immer noch sehr erfolgreich. Warum ist das Ihrer Meinung nach so?

In den ersten Jahren war es in der Zahnmedizin noch recht neu, Wachstumsfaktoren rekombinanten oder tierischen Ursprungs zu verwenden. Diese Einführung wurde mit Skepsis wahrgenommen. Aufgrund der beträchtlichen Anzahl klinischer Studien und der ausgezeichneten Dokumentation seiner langfristigen Sicherheit wurde Emdogain ausgiebig in der regenerativen Zahnmedizin untersucht. Von den anderen, derzeit für den zahnärztlichen Gebrauch erhältlichen Wachstumsfaktoren kann das rekombinante humane BMP2 aufgrund des Ankyloserisikos nicht für die parodontale Regeneration verwendet werden. Die Verwendung von rhPDGF hatte einen gewissen Erfolg bei der Regeneration intraossärer Defekte, es gibt jedoch nur eine begrenzte Zahl klinischer Studien, die seine Verwendung validieren. Ausserdem sind die Kosten in Verbindung mit seiner Verwendung viel höher, ohne dass Verbesserungen der klinischen Parameter dokumentiert wurden. Daher bleibt Schmelzmatrixderivat bis zum heutigen Tag ein Goldstandard für die Regeneration von Parodontaldefekten. Forscher aus der ganzen Welt haben diese Erkenntnisse bestätigt.


„Es ist spannend, auf dem Gebiet der regenerativen Zahnmedizin zu forschen, und ich freue mich darauf, in den nächsten Jahren weitere Einblicke in dieses Thema zu gewinnen!“


 

Wo sehen Sie die Zukunft von Schmelzmatrixderivat?

Biologika werden in der täglichen Praxis immer mehr zur Routine, und ich erwarte, dass sich dieser Trend künftig noch verstärkt, da sich immer mehr Behandler der veröffentlichten Fachliteratur und der einfachen Anwendung/Handhabung dieser regenerativen Materialien bewusst werden. Es ist jetzt wichtig zu wissen, dass Daten für die Verwendung von Emdogain allein zur Behandlung stark kompromittierter Fälle vorliegen, bei denen anfangs fragwürdige Zähne über 20 Jahre lang nach der Therapie mit Emdogain in stabilen Situationen erhalten wurden. Als Behandler sollte unserer primäres Ziel stets sein, natürliche Zähne zu erhalten, vor allem wenn langfristige Daten vorliegen, die bestimmte Therapien unterstützen.  Ich hoffe, dass Osteogain bald zur klinischen Anwendung erhältlich ist. Es hat sich gezeigt, dass diese flüssige Schmelzmatrixderivat-Formulierung die Beschichtung von Knochentransplantaten mit Schmelzmatrixderivat vereinfacht und nicht nur auf der Oberfläche von Knochenersatzmaterialien, sondern auch in Knochentransplantaten zu einer besseren Proteinadsorption führt. Ich würde erwarten, dass sich die Geschwindigkeit und die Qualität der Knochenneubildung weiter verbessern, da wir es mit einer Substanz zu tun haben, die das Knochenwachstum fördert. Das muss jedoch erst noch untersucht werden. Mich interessiert es auch, herauszufinden, wie Osteogain im Vergleich zu anderen Wachstumsfaktoren, die für zahnmedizinische Anwendungen erhältlich sind, wie BMP (Bone Morphogenetic Protein) und PDGF (Platelet-derived Growth Factor), in reinen Knochenregenerationsverfahren abschneidet. Natürlich ist es spannend, auf dem Gebiet der regenerativen Zahnmedizin zu forschen, und ich freue mich darauf, in den nächsten Jahren weitere Einblicke in dieses Thema zu gewinnen!

Literatur

1 Richard J. Miron, Anton Sculean, David L. Cochran, Stuart Froum, Giovanni Zucchelli, Carlos Nemcovsky, Nikos Donos, Staale Petter Lyngstadaas, James Deschner, Michel Dard, Andreas Stavropoulos, Yufeng Zhang, Leonardo Trombelli, Adrian Kasaj, Yoshinori Shirakata, Pierpaolo Cortellini, Maurizio Tonetti, Giulio Rasperini, Søren Jepsen, Dieter D. Bosshardt: Twenty years of enamel matrix derivative: the past, the present and the future. Journal of Clinical Periodontology: Volume 43, Issue 8, August 2016, pages 668–683.