Das Chairside-Abutment: Ein Fallbericht über die Sofortimplantation und Sofortversorgung zweier benachbarter BLX-Implantate in der Oberkieferfront unter Einsatz des digitalen Workflows

Ein klinischer Fallbericht von Dr. Jonas Lehner und ZTM Eberhard Donhauser

Über Dr. Jonas Lehner

Dr. Jonas Lehner
Fachzahnarzt für Oralchirurgie
Tätigkeitsschwerpunkte: Implantologie, Parodontologie

Geboren 1980, 2000-2005 Studium der Zahnmedizin an der Universität Regensburg; 2006-2008 Assistenzzeit 2008- 2011 Weiterbildungsassistent „Oralchirurgie“ /Privatassistent bei Herrn Prof. Dr. Dr. Dr. Helmut H. Lindorf in Nürnberg; Praxis für Mund-Kiefer-Gesichtschirurgie; 2011 Fachzahnarzt Oralchirurgie; 2012-2013 Praxis für Oralchirurgie Amberg, Dr. Roman Krammer & Kollegen. Seit Dezember 2013 niedergelassen in eigener Praxis in Regenstauf; Schwerpunkte: Implantatchirurgie, Sofortbelastung

 

Über Eberhard Donhauser

Eberhard Donhauser
Zahntechnikermeister

Geboren 1956, seit 1982 als Zahntechniker tätig; 1994 erfolgreiche Prüfung zum Zahntechnikermeister; Schwerpunkt auf ästhetische prothetische Versorgungen und CAD/CAM-Restaurationen; 2002 Gründung des zahntechnischen Labors dentitec GmbH in Amberg; Spezialisierung auf komplexe Prothetik und maxillofaziale Rehabilitationen

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Einleitung

Die Sofortimplantation mit Sofortbelastung ist eine seit vielen Jahren etablierte Therapieform, die bei richtiger Indikation zu vorhersagbaren Ergebnissen führt mit gesteigertem Patientenkomfort und maximal möglicher Reduktion der Morbidität1, 2. In diesem Fallbericht wird unter Verwendung des neuen Straumann BLX Implantates die Methode des „Chairside-Abutments“ vorgestellt, bei der v.a. die Anwendung der digitalen Techniken dem Team aus Praxis und Labor die Etablierung eines standardisierten Workflows ermöglicht unter Einhaltung der gebotenen hygienischen Richtlinien für Medizinprodukte.

Ausgangslage

Die 50-jährige Patientin (Nichtraucherin) stellte sich mit subakuten Beschwerden der beiden oberen 1er in unserer Praxis vor. Der bestehende ca. 25 Jahre alte Zahnersatz war schon einige Jahre zuvor als insuffizient eingestuft worden (Abb. 1). Die Patientin zeigte sich in der Vergangenheit sehr zurückhaltend gegenüber Vorschlägen bezüglich einer Neuanfertigung der Prothetik, speziell weil im Sinne einer Gesamtplanung die Zähne 11 und 21 aufgrund einer insuffizienter Stiftversorgung sowie einer Wurzelspitzenresektion alio loco nicht erhaltungswürdig sein würden (Abb. 2). Eine parodontologische Vorbehandlung hatte einige Jahre zuvor stattgefunden. Die Patientin zeigte sich ässerst motiviert im Recall.

Da sich die Zähne 11 und 21 klinisch zunehmend verschlechterten, war eine zeitnahe Extraktion angezeigt. Die Patientin willigte in die Therapie mit Sofortimplantaten und Sofortversorgung ein. Die ihr angebotene Alternativen (Früh-/Spätimplantation mit Spätversorgung) lehnte sie kategorisch ab, weil ihr die Zeit der Zahnlosigkeit an dieser prominenten Position im Mund aus psychologischer Sicht inakzeptabel erschien.

Die röntgenologische und klinische Ausgangssituation mit dickem gingivalem Phänotyp in regio 11 und 21 liessen auf ideale Bedingungen für eine Sofortimplantation schliessen. Die Patientin zeigte eine niedrige Lachlinie, die Kronen der Nachbarzähne waren teilweise mit insuffizienten Zahnhalsfüllungen versorgt worden und wiesen Rezessionen auf. Die Schaltlücke regio 46 sollte mit einem Einzelzahnimplantat versorgt werden.

Behandlungsplanung

Im Zuge der Gesamtplanung sollten die beiden Freiendbrücken im I. und II. Quadranten erneuert werden, sowie die Zähne 11 und 21 mittels Sofortimplantaten ersetzt werden. Diese würden zunächst mit Langzeitprovisorien versorgt werden. Direkt im Anschluss an die Implantation sollten im Labor die definitiven individuellen Abutments hergestellt werden, um umgehend mit gefrästen Composite-Kronen temporär versorgt zu werden.  Bei vorliegender horizontaler Atrophie war regio 46 eine GBR mit Knochenersatzmaterial simultan mit der Implantation vorgesehen.

Chirurgisches Verfahren

Nach einem Vorscan (Trios, 3Shape) wurden die bestehenden Freiendbrücken im I. und II. Quadranten entfernt (Abb. 3). Nach dem Durchtrennen der Brücken zeigten sich die Zähne 11 und 21 mässig gelockert. Im Anschluss an einen Scan der präparierten Pfeiler erfolgte chairside die Anfertigung von Composite-Brücken von 12 auf 15 und von 22 auf 25 mittels CAD/CAM (Abb. 4)

Die Implantation fand in Lokalanästhesie unter antibiotischer Prophylaxe statt. Nach Extraktion der Zähne 11 und 21 (Abb. 5) zeigten sich intakte Alveolen. Die Präparation des Implantatstollens erfolgte frei Hand in die palatinale Alveolenwand (Abb. 6). Es wurden zwei BLX-Implantate mit jeweils 3,75mm Durchmesser Länge 16mm mit ca. 50Ncm mit ausreichend Abstand zur bukkalen Lamelle eingebracht (Abb. 7, 8, 9, 10). Eine Auffüllung des Spaltes zwischen Implantat und bukkaler Lamelle mit Knochenersatzmaterial war nicht nötig. Nach Einbringen zweier Scanbodies (Abb. 11) erfolgte unter Verwendung des Vorscans der Scan der Implantatpositionen. Temporär wurden die Implantate mit Gingivaformern verschlossen. In Regio 46 erfolgte die Implantation mit GBR und geschlossener Einheilung.

Im Labor erfolgte die Transferierung der Scan-Daten in Dentalwings (Abb. 12). Der Ausgangsscan und der Implantatscan wurden gematcht. Mit diesen Daten konnten zwei Zirkonabutments auf Klebebasis (Variobase) konstruiert werden3, 4 (Abb. 13). Das Emergenzprofil wurde konkav an der Schulter der Variobase und konvex im Bereich der marginalen Gingiva gestaltet. Nach dem Fräsvorgang der Rohlinge erfolgte im Schnellsinterverfahren (2,5h) die Herstellung zweier Zirkonabutments und die Verklebung auf den Variobase mittels eines Abutmentklebers, welcher für den Sterilisationsprozess geeignet ist. Parallel wurden zwei provisorische Kronen aus Composite konstruiert und gefräst (Abb. 14, 15, 16). Unter der Massgabe, die Abutments als Medizinprodukt „kritisch B“ einzusetzen, wurde ein standardisiertes Abutment-Reinigungsverfahren verwendet sowie ein Sterilisationszyklus (Schnellprogramm) gefahren. Am gleichen Tag, ca. 6 Stunden nach der Implantation, konnten die Abutments eingeschraubt werden (Abb. 17). Im Anschluss wurden die beiden temporären Kronen eingesetzt (Abb. 18). Kontakte in statischer und dynamischer Okklusion wurden entfernt, bzw. Führungsflächen an den Palatinalflächen der Langzeitprovisorien wurden mittels Composite leicht aufgebaut, um Kontakte der beiden 1er in dynamischer Okklusion auszuschliessen. Die Heilung gestaltete sich komplikationslos. Der Patientin wurde weiche Kost für die nächsten 10 Wochen verordnet.

Prothetisches Verfahren und Ergebnis

Die Patientin zeigte sich mit dem provisorischen Ergebnis und dem Ablauf sehr zufrieden (Abb. 19). Fünf Monate nach der Implantation erfolgte die Freilegung des Implantats regio 46. Die Implantate regio 11 und 21 waren zu diesem Zeitpunkt regelrecht osseointegriert (Abb 20). Wie bei einer Sofortimplantation mit Sofortversorgung zu erwarten ist, stellt sich ein minimaler Rückgang der Weichgewebskontur ein. In diesem Fall betrug diese vestibulär deutlich unter 1mm. Im Bereich der mesialen Papillenspitze war diese ca. 1,5mm, was bei der Entfernung zweier benachbarter Zähne in dieser Weise zu erwarten ist (Abb. 21). Ohne die Abutments nochmals zu entfernen, wurden diese intraoral minimal nachpräpariert, um die Abutmentschulter auf isogingivales Niveau zu verlegen (Abb. 22). Nach Entfernung der Langzeitprovisorien wurde auf der Basis der Vorscans die neue Situation abgescannt. Der Scan des Implantates 46 erfolgte mit der Hilfe eines Scanbodies. 

Nach einer Ästhetikeinprobe erfolgte die finale Restauration mit Sinterkeramiken verblendetem Zirkongerüst. Die Seitenzähne wurden wie ursprünglich mit Anhängerbrücken mit distalen Extensionen versorgt. Es erfolgte eine konventionelle Zementierung. Erfreulicherweise waren wir in der Lage, die Erwartungen der Patientin hinsichtlich Funktion und Ästhetik zu übertreffen (Abb. 23, 24).

Diskussion

Die Sofortimplantation mit Sofortversorgung von Einzelzähnen ist eine gut dokumentierte Therapieform. Sie erlaubt es, gingivale Strukturen maximal zu erhalten nach dem Konzept „one abutment at one time“ 5, 6. Bei zwei benachbarten Zähnen, wie hier vorgestellt, ist eine vorausschauende Analyse der Bisssituation nach Extraktion nötig, um die Provisorien mit Sicherheit ausser Kontakt bringen zu können. Ein Rückgang der mesialen Papille war in dieser Weise erwartet worden und wäre aber bei Anwendung konventioneller Techniken als noch höher anzunehmen7 gewesen. Durch die Verwendung des BLX-Implantates erhält der Behandler grösstmögliche Sicherheit bei der Erzielung ausreichender Primärstabilität für die von dem Patienten erwartete Sofortversorgung. Die Alternative, Abutments prä-operativ herzustellen und nach fully guided-Implantation zu verwenden, bedeutet nach Meinung der Autoren einen massiven Verlust an Präzision (bukkale Auslenkung der geplanten Implantatachse bei unterdimensionierter Implantatbettaufbereitung, fragliche Ausrichtung der TorcFitTM-Verbindung), welcher in dieser Therapieform unweigerlich zum ästhetischen Misserfolg führt.

Die konsequente Anwendung der digitalen Techniken innerhalb dieses Workflows erlauben die Einhaltung der Hygienestandards bei der berührungslosen Abformung. Ebenfalls durch die digitale Technik wird es möglich, innerhalb eines sehr engen Zeitkorridors, die standardisierte Herstellung eines aufgereinigten und sterilisierbaren Medizinprodukts zu gewährleisten, welches den hier gestellten Anforderungen an Form, Funktion und Langlebigkeit genügt.

Literatur

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Implant placement and loading protocols in partially edentulous patients: A systematic review.
Gallucci G, Hamilton A, Zhou W, Buser D, Chen S.

3 Das Copy-Abutment – eine Methode zur Sofortversorgung von  Einzelzahnimplantaten nach Sofortimplantation zum Erhalt der roten Ästhetik.
Fürhauser R, Haas R, Mailath Pokorny G, Watzek G. Zeitschrift für ästhetische Zahnmedizin 2006;4:34-39

 Clin Implant Dent Relat Res. 2017 Feb;19(1):28-37. doi: 10.1111/cid.12423. Epub 2016 May 5. Immediate Restoration of Immediate Implants in the Esthetic Zone of the Maxilla Via the Copy-Abutment Technique: 5-Year Follow-Up of Pink Esthetic Scores. Fürhauser R, Mailath-Pokorny G, Haas R, Busenlechner D, Watzek G, Pommer B. 

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The Digital One-Abutment/One-Time Concept. A Clinical Report. Beuer F, Groesser J, Schweiger J, Hey J, Güth JF, Stimmelmayr M

6 J Periodontol. 2017 Nov;88(11):1173-1185. doi: 10.1902/jop.2017.170238. Epub 2017 Jun 19. The One Abutment-One Time Protocol: A Systematic Review and Meta-Analysis. Atieh MA, Tawse-Smith A, Alsabeeha NHM, Ma S, Duncan WJ

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