#Ästhetik 17.09.2024

Periimplantitis nachhaltig therapieren: Regeneratives Verfahren mit einer elektrolytisch gereinigten Implantatoberfläche

Der nachfolgende Fallbeitrag beschreibt die erfolgreiche Behandlung einer Periimplantitis im Frontzahngebiet in Regio 12 mit einhergehendem RP1-Knochendefekt (Klassifikation nach Schlee et al.). [1] Dabei erfolgte die Dekontamination des Einzelkronen-Implantats aus Titan im Galvano-elektrischen Verfahren mit dem innovativen GalvoSurge® System (Straumann Group) und führte im Verlauf zu einer Reosseointegration und Heilung des periimplantären Hart- und Weichgewebes.

Einleitung

Das Wissen um wirksame Therapiemöglichkeiten periimplantärer Erkrankungen gehört heute zur Basis in der täglichen Praxis; unabhängig davon, ob in der eigenen Praxis implantiert wird, alio loco inserierte Implantate prothetisch versorgt werden oder sich Implantatpatienten in der Nachsorge befinden. Denn es sind besonders biologische Komplikationen wie Periimplantitiden, die die Langlebigkeit der Implantate beeinträchtigen: Bei jährlich 1,3 Millionen in Deutschland und laut Schätzungen fünf bis sechs Millionen gesetzten Implantaten in Europa also eine deutliche Herausforderung für jeden Behandler2-5. Dabei schwanken die Zahlen zur Prävalenz der Periimplantitis sehr. Je nach Falldefinition wird von einer mittleren Prävalenz von 22 Prozent berichtet und die Prävalenzspannen reichen patientenbezogen bis zu 47 Prozent und implantatbezogen bis zu 63 Prozent. Patienten mit einer parodontalen Vorerkrankung können ein höheres Periimplantitisrisiko aufweisen2,6,7.

Pathogenese und ätiologischer Auslöser

Definitionsgemäß sind periimplantäre Erkrankungen entzündliche pathologische Prozesse, die das Weich- und/oder Hartgewebe um osseointegrierte Implantate betreffen10. Während sich die Mukositis als Entzündung des periimplantären Weichgewebes mit Rötung, Hyperplasie und Blutung zeigt, ist die Periimplantitis durch fortschreitenden Verlust des periimplantären Knochengewebes und der osseointegrierten Implantatkontaktfläche charakterisiert. Eine unbehandelte Periimlantitis kann zum Implantat-Verlust sowie zu ernsten Problemen der Mundgesundheit führen11-13.

Ursachen für das Entstehen der Entzündung und des daraus resultierenden Knochenabbaus sind vielfältig. Dazu gehören u.a. inadäquates Weichgewebsmanagement und Fehlpositionierungen des Implantats, fehlgeschlagene Augmentationen oder lokale Faktoren wie Zementreste und die iatrogen herbeigeführte Entzündung sowie prädisponierende Faktoren wie Rauchen. Der ätiologische Auslöser der Periimplantitis ist der bakterielle Biofilm auf der Implantatoberfläche, der zur Entzündungsreaktion führt.

Therapieansätze zur Dekontamination

Zur nachhaltigen Therapie der Periimplantitis gehört die vollständige Entfernung des bakteriellen Biofilms, die Regeneration des periimplantären Knochendefekte und die Aufrechterhaltung der Entzündungsfreiheit1. Die Dekontamination ist bei der Periimplantitis-Therapie entscheidend für einen nachhaltigen Erfolg. Herkömmliche Therapieansätze mit ablativen Methoden scheitern alle an den eingeschränkten Zugangsmöglichkeiten zur Implantatoberfläche und führen lediglich dazu, die Keimmenge zu reduzieren. Wird der auslösende Faktor jedoch nicht neutralisiert, besteht das Risiko für eine Re-Infektion14.

Fortgeschrittene Läsionen müssen frühzeitig chirurgisch therapiert werden. Ziel ist eine vollständige Regeneration des ossären Defekts (bei Bone-Level-Implantaten bis zur Implantatschulter bzw. bis zur Grenzfläche zwischen der rauen und polierten Implantatoberfläche bei Tissue-Level-Implantaten) in Kombination mit einer Reosseointegration der zuvor kontaminierten Implantatoberfläche. Darüber hinaus müssen stabile Weichgewebe wiederhergestellt werden, um das Implantat langfristig zu erhalten.

Das angewendete System zur galvanischen Implantatoberflächenreinigung (von einer internationalen Forschergruppe mit Schlee et al. entwickelte GalvoSurge® System, Straumann Group seit Mai 2023) zielt auf die Dekontamination der Implantatoberfläche15. Die aktuelle Datenlage zeigt gute Reinigung, wenn auch insgesamt die Literatur noch nicht sehr breit ist. Die klinischen Erfahrungen in der Praxis des Autors sind bisher positiv.

Fallbeispiel

Befund, Behandlungskonzept

Eine Patientin mittleren Alters, Nichtraucherin, wurde von ihrem Hauszahnarzt zur Behandlung einer Periimplantitis an einem (auf Knochenhöhe inserierten) Titanimplantat eines Standardherstellers in Regio 12 ca. vier Monate postoperativ in die Praxis des Autors überwiesen. Bis auf moderate Vorerkrankungen wies die allgemeine Anamnese keine spezifisch zu berücksichtigenden Besonderheiten auf.

Der orale klinische Befund bestätigte eine Dehiszenz des Gewebes, erhöhte Sondierungstiefen und es entleerte sich Pus beim Sondieren und Ausstreichen. Der röntgenologische Befund zeigte einen Knochenabbau in Regio 12. Dabei handelte es sich um einen vertikalen, schüsselförmigen Defekt.

Eine Explantation kam für die Patientin nicht in Frage. Es sei an dieser Stelle angemerkt, dass grundsätzlich die Entscheidung zwischen dem Versuch, das Implantat zu retten, und einer Explantation als ultima ratio, immer patientenindividuell erfolgt und dabei die Gesamtsituation berücksichtigt wird.

Als lokaler Faktor ist das Ausmaß der nötigen Augmentation zu nennen: Ist eine große Augmentation nötig, sinkt die Chance des Erfolgs der Therapie. Es muss dem Patienten verdeutlicht werden, dass der Langzeiterfolg geringer ausfällt. Wenn das Risiko eines Nichterfolgs der Therapie die Gesamtgesundheit des Patienten in Frage stellt, empfiehlt sich eine Explantation.

Nach Darstellung der Behandlungsoptionen wurde mit der Patientin der Behandlungsplan verabredet und nach antibiotischer Vorbehandlung die Galvano-elektrische Therapie durchgeführt.

Chirurgie

Galvano-elektrische Therapie und GBR

Nach lokaler Anästhesie erfolgte die Aufklappung unter Bildung eines Mukoperiostlappens. Der Knochendefekt ließ sich als RP 1-Defekt klassifizieren, der sich bereits zur vestibulären Lamelle ausgedehnt hatte. Mit Blick auf eine Periimplantitis-Therapie mit dem Galvano-elektrischen Reinigungsverfahren haben Schlee et al. das regenerative Potenzial periimplantärer Defekte klassifiziert: Danach sind RP 1-Defekte durch einen typisch schüsselförmigen Defekt gekennzeichnet, wobei sich die krestale Kante des Defektes auf Höhe der Implantatschulter befindet. Diese Defekte haben nach Schlee et al das beste Regenerationspotenzial mit einer vollständigen Regeneration bis zur Implantatschulter in 100 Prozent der Fälle. RP 2-Defekte mit einem reduzierten Regenerationspotenzial sind dadurch gekennzeichnet, dass mindestens eine knöcherne Wand des vertikalen Defektes fehlt1.

Nach der Lappen-Elevation wurde die Implantat-Deckschraube entfernt und das Implantat von Granulationsgewebe gereinigt. Durch Befestigung des GalvoSurge®-Sprühkopfs am internen Anschluss des Implantats wurde die zu reinigende Stelle vorbereitet. Das GalvoSurge® System besteht aus einer Kontrolleinheit, einem Schlauchsystem mit einem Implantatkonnektor, einer Reinigungsflüssigkeit und einem aufsteckbaren Einwegschwämmchen an Sprühkopf. Dieses gewährleistet maximal Kontakt der Reinigungslösung mit dem Implantat. Für das elektrolytische Reinigungsverfahren wurde der GalvoSurge®-Ansatz in die Implantat-Innenverbindung gesteckt. Grundsätzlich sollte die Restauration entfernt werden, um auch die Innenseite des Implantats zu reinigen, damit die Spüllösung in Kontakt zur Implantatoberfläche kommt. Diese war bereits vom Hauszahnarzt entfernt worden und das Implantat mit einer Deckschraube versorgt.

Das Prinzip des GalvoSurge® Systems beruht nach Angaben des Entwicklerteams auf einer geringgradigen ans Implantat angelegten elektrischen Kleinspannung (das Implantat wird negativ geladen) und dem Besprühen des Implantates mit einer Salzlösung. Das negativ geladene Implantat zieht die positiv geladenen Wasserstoffionen (H+) an, die den Biofilm durchdringen von der negativ geladenen Implantatoberfläche je ein Elektron aufnehmen. Dabei entsteht Wasserstoff. Die Wasserstoffbläschen drücken den Biofilm weg und reinigen dadurch die Oberfläche des Implantats.

Das Verfahren, das ca. zwei Minuten erfordert, soll in einer Entfernung des Biofilms resultieren, welches die elementare Voraussetzung für die nachfolgende Knochenaugmentation ist.

Da die elektrolytische Dekontamination mit GalvoSurge® nicht ablativ ist, wird die Oberflächenstruktur bzw. die Oberflächenrauigkeit des Implantats nicht verändert und die gewünschten Oberflächeneigenschaften bleiben erhalten. Ein weiterer Pluspunkt ist, dass die elektrolytische Dekontamination eine Rückgewinnung der hydrophilen Implantatoberfläche bewirkt, was die Reosseointegration des Implants fördert.

Anschließend wurde der Gingivaformer wieder auf das Implantat platziert. Für die gesteuerte Knochenregeneration (GBR) mit Defektauffüllung wurde eine Kollagenmembran eingebracht und mit Pins fixiert. Ein Gemisch aus autogenen Knochenspänen, DBBM-C (BioOssCollagen, Geistlich) und PRF wurde in den Defekt eingebracht. Zur Abstützung des intraoralen Weichgewebes und für einen stabilen Zusammenhalt des Transplantatmaterial wurde der augmentierte Bereich mit der Straumann Membrane Flex abgedeckt und die Membran wurde mit Pins fixiert. Dann folgte der Wundverschluss und die Patientin erhielt Mundhygieneinstruktionen.

Die Nahtentfernung sowie die weitere Kontrolle übernahm der Hauszahnarzt. Dort wurde die implantatprothetische Versorgung wieder eingebracht. Der Wundheilungsprozess verlief ohne Komplikationen. Um die knöcherne Regeneration und die Heilung zu beurteilen, wurde eine Röntgenaufnahme angefertigt. Im weiteren Verlauf sowie die röntgenologischen Kontrollaufnahmen ca. 11 Monate nach der Therapie bestätigten gesunde intraorale Hart- und Weichgewebe mit Reosseointegration des Implantats und Heilung.

Fazit

Für eine nachhaltige Periimplantitis-Therapie ist eine vollständige Regeneration des ossären Defekts in Kombination mit einer Reosseointegration der zuvor kontaminierten Implantatoberfläche entscheidend. Die Indikation, wann eine Implantat-Rehabilitation erfolgversprechend ist, liegt rein am umliegenden Hart- und Weichgewebedefekt. Die Schwäche aller bisherigen Ansätze ist, dass eine gründliche Reinigung der Implantatoberfläche nicht möglich ist.

Bisherige klinische persönliche Erfahrungen und verfügbare Studien legen nahe, dass je nach Defektanatomie eine gute Reosseointegration möglich ist. Bei dem Galvano-elektrischen Reinigungsverfahren mit GalvoSurge® wird der bakterielle Biofilm, eine der Hauptursachen für die Entzündungsreaktion des periimplantären Gewebes, soweit nachvollziehbar, gut entfernt. Die Dekontamination der Implantate ist jedoch nur ein, wenn auch wichtiger, Teilschritt. Chirurgische Erfahrung im Umgang mit Augmentationstechniken und GBR ist eine unabdingbare Voraussetzung für die erfolgreiche Regeneration.

Bildnachweis: Alle Abbildungen Dr. Dr. M. Tröltzsch, Ansbach

Literatur:

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