Effiziente Prothetik

Auswahl von Sekundärteilen für einen langfristigen Erfolg

Julia-Gabriela Wittneben zur indikationsbasierten Auswahl von Sekundärteilen

Die Auswahl des Implantat-Sekundärteils für jeden einzelnen Patientenfall ist wichtiger Bestandteil der implantatprothetischen Behandlungsphase. Klinische Langzeitstudien zu festen implantatgetragenen Rekonstruktionen belegen nur geringe technische Komplikationen beim eigentlichen Sekundärteil. [1] Im vorliegenden Artikel erörtert Julia-Gabriela Wittneben verschiedene Arten von Implantat-Sekundärteilen, unterschiedliche Sekundärteil-Materialien und ihre klinischen Indikationen. Ein klinischer Fall, mit dessen Hilfe die Behandlung einer Einzelzahnlücke mit einer vollkeramischen verschraubten Implantatkrone in Schritten erläutert wird, ist hier dargestellt.

Autor: Julia-Gabriela Wittneben

Dr. med. dent. Julia-Gabriela Wittneben

Dozentin an der Klinik für Rekonstruktive Zahnmedizin und Gerodontologie, Zahnmedizinische Kliniken, Universität Bern, Schweiz. Dozentin am Department of Restorative Dentistry and Biomaterials Sciences, Harvard School of Dental Medicine, Boston, USA.

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1. Arten von Implantat-Sekundärteilen

Es können standardisierte oder individualisierte Implantat-Sekundärteile gefertigt werden (Abb. 2). Die Verwendung eines standardisierten Sekundärteils ist indiziert, wenn das Implantat in nahezu idealer prothetischer Position eingebracht werden kann. Ein wesentlicher Vorteil standardisierter Sekundärteile ist die Zeitersparnis während der gesamten Behandlung, wodurch eine Verkürzung der technischen Fertigungszeit möglich ist. Es ist möglich, Divergenzen zwischen Implantaten, die mehrgliedrige Prothesen stützen, mit angulierten Standard-Sekundärteilen zu korrigieren. In der ästhetischen Zone ist es wichtig, dass die Schulterhöhe eines vorgefertigten Sekundärteils nicht einheitlich 360 Grad beträgt, da andernfalls der approximale Kronenrand zu weit submukosal platziert würde. Daher sollte die optimale Gestaltung eines standardisierten Sekundärteils einer Zahnpräparation ähneln, die der Kontur des Gingivarandes folgt (Abb. 1).2 Es gibt klinische Beschränkungen hinsichtlich der Position des Implantats in der Vertikalen Dimension. Wenn das Implantat zu apikal platziert ist, sind standardisierte Sekundärteile nicht indiziert – dies gilt insbesondere für verschraubte Rekonstruktionen –, da sie keine ausreichende Unterstützung für die Verblendkeramik aufweisen.

Abb. 1: Standardisierte Sekundärteile aus Zirkondioxid

Die spezifische Anpassung eines Sekundärteils gibt dem Arzt die Freiheit, Position und Angulation zu individualisieren. Bei Implantaten auf Knochenebene (Bone Level, BL) ist es ferner möglich, das Austrittsprofil und die spätere Kronenrandposition der endgültigen Restauration zu individualisieren. So können Sekundärteile entworfen werden, die das Verblendkeramik-Material optimal unterstützen, vor allem bei verschraubten Rekonstruktionen. Die Individualisierung kann durch Einsatz von CADCAM-Technologie, Gold-Sekundärteilen mit traditionellen Wachsausschmelzverfahren oder Titanbasis-Sekundärteilen erreicht werden (Abb. 2). Individualisierte Sekundärteile, die mittels CADCAM gefertigt werden, können bei Implantaten auf Knochen- und Gewebeebene aus Titan oder Zirkondioxid bestehen. Sie können für zementierte bzw. verschraubte Einzelkronen oder zementierte Brücken verwendet werden. Zu den Vorteilen von CADCAM-Sekundärteilen zählen der mögliche Einsatz hochleistungsfähiger Keramikmaterialien, die wiederum zahlreiche Vorzüge bieten, insbesondere an ästhetisch relevanten Stellen. Bei Patienten mit nur wenig Weichgewebe kann bei Verwendung weisser Sekundärteile ein gräuliches Durchschimmern vermieden werden. Es ist jedoch ebenfalls möglich, Titan als Material zu verwenden. Ein weiterer Vorteil ist die Individualisierung im Hinblick auf Angulation und Design des Sekundärteils, um die Verblendkeramik zu unterstützen.

Abb. 2: Entscheidungsbaum zur Sekundärteil-Verwendung

Traditionelle Goldguss-Sekundärteile können für verschraubte und zementierte Einzelkronen und Brücken verwendet werden. Sie sind für Implantate erhältlich, die auf Weichgewebe- oder Knochenniveau eingebracht werden. Ihr wesentlicher Vorteil besteht in einer leichteren Verschraubung mit Brücken. Zu den Nachteilen zählt jedoch, dass Gold-Sekundärteile technisch anspruchsvoll und zeitaufwendig sind sowie dass bei ihnen höhere Herstellungskosten anfallen. Eine histologische In-vivo-Studie an Hunden hat gezeigt, dass Goldlegierungen auch bei der Weichgewebeintegration Nachteile aufweisen. Histologisch ist eine apikale Verschiebung des Grenzepithels und des marginalen Knochens im Bereich von Sekundärteilen aus Goldlegierung belegt.3 Titanbasis-Sekundärteile bilden die dritte Gruppe individualisierter Sekundärteile auf Implantaten. Es handelt sich hierbei um zweiteilige Sekundärteile mit einer Titanbasis. Ärzte haben manchmal Bedenken, wie bei Komplikationen mit Vollkeramik-Sekundärteilen vorgegangen werden sollte, da abgebrochene Keramikfragmente manchmal nur schwierig aus dem Implantat entfernt werden können. Der Hauptvorteil dieses Sekundärteiltyps besteht darin, dass es kein keramisches Material im Inneren der Titan-Implantatverbindung gibt. Allerdings ist der Mangel an Nachweisen in den bisher veröffentlichten klinischen Daten als Nachteil zu werten. Insbesondere die Weichgewebereaktion auf den Bondingspalt – vor allem bei Fällen mit Implantaten auf Knochenniveau in der ästhetischen Zone – ist unbekannt. Daher sollte bei der Verwendung dieses Sekundärteiltyps diese Einschränkung berücksichtigt werden. 4 Die Verwendung von Implantaten auf Weichgewebeniveau mit einem Mikrospalt oberhalb des Knochenniveaus ist möglicherweise weniger problematisch. Auf den folgenden Seiten wird schrittweise ein Beispiel eines Implantats auf Weichgewebeebene (Tissue Level; TL) vorgestellt (Abb. 3-15).

2. Implantat-Sekundärteilmaterial

Es stehen verschiedene Biomaterialien für Implantat-Sekundärteile zur Verfügung. PMMA (Polymethylmethacrylat), Titan und PEEK (Polyetheretherketon) sind für provisorienunterstützende Sekundärteile indiziert – dies gilt vor allem für Implantattypen auf Knochenniveau. Diese Materialien gestatten abgestimmte Austrittsprofile sowie die Individualisierung der periimplantären Mukosa mit Weichgewebekonditionierung.5 Titan, Gold, Zirkondioxid und auf Aluminiumoxid basierende Keramik sind hingegen die Materialien der Wahl bei Sekundärteilen, die für endgültige Restaurationen bestimmt sind. Titan und Zirkondioxid werden im vorliegenden Artikel hinsichtlich ihrer klinischen und histologischen Leistung besprochen. Titan ist das bevorzugte Biomaterial, wenn es auf das langfristige und gut dokumentierte Verhalten unter funktioneller Belastung sowohl bei Weich- als auch Hartgewebe ankommt. Es zeichnet sich durch eine hervorragende Biokompatibilität, mechanische Festigkeit und Korrosionsbeständigkeit aus. Es ist daher das Sekundärteil-Material der Wahl für den Seitenzahnbereich. Jedoch nehmen die Erwartungen der Patienten beim Frontzahnbereich zu. In der ästhetischen Zone spielt die Mukosadicke eine wichtige Rolle. Eine tierexperimentelle Studie, in der verschiedene Dentalmaterialien bei verschiedenen Mukosadicken miteinander verglichen wurden, hat ergeben, dass Titan den auffälligsten Farbwechsel verursacht. Zirkondioxid hingegen führte bei einer Mukosadicke von 2 und 3 mm nicht zu sichtbaren Farbveränderungen.Vor dem Hintergrund der verfügbaren klinischen Nachweise und der systematischen Untersuchungen wurden keinerlei Unterschiede zwischen Zirkondioxid- und Metall-Sekundärteilen hinsichtlich ihrer klinischen Leistung festgestellt, wobei jeweils die ästhetischen, technischen und biologischen Ergebnisse ausgewertet wurden.7,8,9,10 In-vitro-Studien haben einen statistisch signifikant grösseren Verschleiss von Sekundärteilen aus Zirkondioxid innerhalb des Titanimplantats gegenüber solchen aus Titan ergeben.11 Die klinische Relevanz bleibt jedoch unklar. In unserer Klinik verwenden wir seit 2009 täglich mithilfe von Straumann® CARES® CADCAM gefertigte Zirkondioxid-Sekundärteile in ästhetischen Fällen mit Implantaten auf Knochenniveau. Bisher sind bei uns keinerlei Probleme durch Bruch von Sekundärteilen aufgetreten. Das korrekte CADCAM-Design eines Sekundärteils aus Zirkondioxid sowie die Qualität und Präzision des Verbindungsteils, das sich im Implantat befindet, spielen für den langfristigen Erfolg eine entscheidende Rolle. Konzentriert man sich auf die Ergebnisse histologischer Studien, zeigt eine In-vivo-Studie, dass es keine sichtbaren Unterschiede hinsichtlich der Gesundheit des Weichgewebes der periimplantären Mukosa gibt, die an die Oberflächen der aus Zirkondioxid und Titan gefertigten Sekundärteile angrenzt.12 Eine weitere Studie ergab, dass das Weichgewebe im Bereich von Zirkondioxid schneller heilt als bei Kontakt mit Titan.13 Eine systematische Auswertung14der verfügbaren Literatur zu Zirkondioxid-Sekundärteilen legt die Schlussfolgerung nahe, dass anhand der Nachweise auf Basis histologischer Studien am Menschen und an Tieren Zirkondioxid als Material für Dentalimplantat-Sekundärteile ebenso geeignet ist wie Titan. Was die Plaquebildung angeht, scheint Zirkondioxid in einem frühen Stadium eine geringere Neigung zur Anlagerung bakterieller Plaque an Oberflächen aufzuweisen, was vorteilhaft ist.

3. Schlussfolgerung und klinische Empfehlungen

Auswahl von Sekundärteilen für die ästhetische Zone: Implantat-Sekundärteile befinden sich in einer Übergangszone, in der sie sowohl Kontakt mit dem Implantat als auch mit den umgebenden periimplantären Geweben haben. Daher spielt die Auswahl des Sekundärteils eine grosse Rolle, insbesondere in einem so sensiblen Bereich wie der ästhetischen Zone. Bei eingliedrigen Rekonstruktionen sind Zirkondioxid-Sekundärteile indiziert, die je nach prothetischer Implantatposition standardisiert oder individualisiert werden können. Bei mehrgliedrigen Rekonstruktionen werden Zirkondioxid-Sekundärteile für zementierte Brücken und Gold-Titan-Sekundärteile für verschraubte Brücken empfohlen. Auswahl von Sekundärteilen für den Seitenzahnbereich: Die klinische Indikation der einzelnen Implantat-Sekundärteiltypen hängt primär von der prothetischen Implantatposition ab und ob ein- oder mehrgliedrige Einheiten ersetzt werden müssen. Standardisierte und Straumann® Variobase Sekundärteile sind im Seitenzahnbereich zu bevorzugen, wenn die prothetische Position des Implantats ideal ist. Angulierte Standard-Sekundärteile, individualisierte CADCAM-Sekundärteile aus Titan oder Goldguss-Sekundärteile sind hingegen in Fällen indiziert, in denen das Implantat nicht in idealer prothetischer Position eingebracht werden kann. Bei mehrgliedrigen Rekonstruktionen werden standardisierte Titan- oder individualisierte Gold-Sekundärteile empfohlen.

Klinischer Fallbericht

Restauration einer Einzelzahnlücke mit einer vollkeramischen verschraubten Implantatkrone im Seitenzahnbereich, unter Verwendung des Straumann® Variobase Sekundärteils.  Der vorgestellte Fall wurde nach einem multidisziplinären Ansatz behandelt: Prof. Dr. med. dent. Daniel Buser (Chirurgie)Dr. med. dent. Julia-Gabriela Wittneben (Prothetik), Thomas Furter, Zahntechniker (Labor).

Patient: Gesunde 43-jährige Frau, Nichtraucherin. Situation: Einzelzahnlücke in Regio 46 (FDI). Es wurde ein Straumann® Soft Tissue Level Regular Neck Implantat mit Straumann® SLActive® Oberfläche in der korrekten dreidimensionalen Position inseriert (Abb. 3). Acht Wochen später folgten eine Abformung mit offenem Löffel und eine Bissregistrierung. Periapikale Röntgenaufnahme zur Bewertung der Abdruckkappenposition (Abb. 4). Herstellung und Artikulation der Meistermodelle. Einsetzen des Scankörpers. Das Modell wurde im Scanner zentralisiert (Abb. 5). Bissregistrierung mit dem positionierten Scankörper (Abb. 6). Überprüfung der digitalen Aufnahme und manuelle Änderung, Anpassung der Okklusion der Gegenbezahnung (Abb. 7, 8). Es wurde ein Straumann® Variobase Sekundärteil verwendet (Abb. 9). Es wurde eine aus Lithium-Disilikat-Glaskeramik gefertigte IPS e.max CAD Krone bestellt und mit einem bläulichen Farbton an das Dentallabor geliefert (Abb. 10). Die Krone wurde mit einem Diamantbohrer gekürzt und im Ofen kristallisiert. Auf die Charakterisierung und Fertigstellung der Krone folgte das manuelle Hinzufügen der Verblendkeramik (IPS e.max. Ceram) und die Verwendung von Farb- und Glasurpaste (IPS e.max Ceram Essences und FLUO). Verschiedene Brennzyklen. Zur Zementierung der Krone auf dem Straumann® Variobase Sekundärteil wurde Adhäsivzement verwendet (Multilink Hybrid Abutment Cement). Der überschüssige Zement wurde entfernt und poliert (Abb. 11, 12). Die endgültige Krone wurde im Mund einprobiert und mit 35 Ncm in das Implantat eingebracht (Abb. 13, 14). Bewertung der Kronenposition (Abb. 15). Die Okklusion wurde angepasst und der Patientin Anweisungen zur Mundhygiene gegeben.

IPS e.max CAD, IPS e.max. Ceram, Essences und FLUO sind eingetragene Marken von Ivoclar Vivadent, Schaan / Liechtenstein.

Literatur

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